Agile vs. klassisch: Agile Methoden im klassischen Projektmanagement
Wenn eine komplette Umstellung auf agiles Arbeiten nicht möglich ist, bietet sich der hybride Ansatz als Alternative an. Wir zeigen, wie dies in der Praxis aussieht und erklären die wichtigsten Methoden, die dafür nötig sind.
Hybrides Projektmanagement
Agilität hat deutliche Vorteile gegenüber klassischen Arbeitsmethoden: Prozesse werden kürzer, Risikofaktoren sind schneller sichtbar, und die Abstimmung zwischen Kunde und Dienstleister erhält eine größere Transparenz. Agiles Arbeiten lässt sich aber nicht in allen Unternehmen vollumfänglich einführen. Als Alternative bietet sich dann hybrides Projektmanagement an. Das bedeutet: In einem klassischen Arbeitsumfeld kommen lediglich einzelne Methoden und Techniken der Agilität zum Einsatz.
Diese Kombination lohnt sich besonders für Großprojekte. Denn ihre Teilaufgaben, etwa im Rahmen eines komplexen Websiterelaunchs, können so bedarfsgerecht und mit größerer Flexibilität gesteuert werden. Es wird agiert statt nur reagiert. Dafür sind neue Meeting- Routinen und Berichtswege nötig: Stakeholder und andere Projektverantwortliche nehmen an den regelmäßigen Sprint-Reviews der agilen Teams teil. Product Owner und Scrum Master wiederum besuchen die Meetings der klassischen Projektmanagementorganisation. Das stellt einen zeitnahen Informationsaustausch aller Beteiligten sicher.
Wer sein klassisches Projektumfeld mit agilen Techniken bereichert, gewinnt außerdem schnell neue Erkenntnisse. Das gilt für die Bedürfnisse des Kunden genauso wie für Veränderungen am Markt. Auch die Reaktionszeit verbessert sich, denn ein wesentlicher Aspekt des inkrementellen Vorgehens im agilen Projektmanagement ist die Offenheit für Veränderungen. In Kombination mit einer Akzeptanz für Fehler hat dies einen positiven Effekt auf die Unternehmenskultur, angefangen in der Führungsebene bis zur Zusammenarbeit unter Kollegen.
Agilität: Grundwerte und Prinzipien
Im Folgenden gehen wir genauer auf verschiedene Aspekte des agilen Arbeitens ein sowie auf die Grundideen, die sich dahinter verbergen. Damit wollen wir zeigen, an welchen Stellen sich agile Methoden als Ergänzung oder als Ersatz für klassisches Vorgehen anbieten.
1. Kommunikation
Eine offene Kommunikation innerhalb des Projektteams sowie die transparente Darstellung von Informationen sind ein wichtiger Bestandteil des agilen Arbeitens. Eine sehr beliebte und wirkungsvolle Methode ist das Daily Stand-Up. Der Grundgedanke dabei: Den täglichen Informationsaustausch im Projektteam auf relativ kleiner Planungsebene ermöglichen. Langfristig führt dies zu größerer Transparenz im Projekt. Für die Teammitglieder hat es den Effekt, dass sie sich über projektbezogene Themen austauschen können und Raum für positive und negative Reflexion erhalten. Drei Kernfragen erweisen sich dabei als hilfreich:
- Was habe ich gestern erreicht?
- Was will ich heute umsetzen?
- Welche Probleme könnten mich daran hindern?
Diese Methode lässt sich sehr unkompliziert in klassische Projekte einführen, beispielsweise als Weekly oder Monthly Stand-Up.
Der Projektfortschritt wird im klassischen Prozess gewöhnlich durch Statusfolien der Projektteams dokumentiert und in einem gemeinsamen Meeting präsentiert. Hier kann der Einsatz eines Information-Radiators eine gute Alternative sein. Er ermöglicht die öffentliche Darstellung von Informationen in frei wählbarer Form. Diese Methode erhöht die Aktualität des Austauschs und lässt das Projektteam effizienter auf Risiken, Herausforderungen und Probleme reagieren. Ein tägliches Reporting über Arbeitsfortschritt, persönlichen Zustand und aktuelle Herausforderungen sorgt außerdem für größere Transparenz.
Eine weitere Methode, die das klassische Umfeld agiler gestaltet, ist der so genannte War Room. Hier werden alle relevanten Projektteilnehmer räumlich von äußeren Einflüssen abgeschottet, um hochkonzentriert an einer zielgerichteten Lösung zu arbeiten. Im klassischen Umfeld wird zur Aufhebung von Engpässen die Methode des Fast Tracking eingesetzt, welche Aufgaben zum Beispiel parallelisiert, um Zeit zu sparen. Die Konzentration von Ressourcen zur Lösung der wichtigsten Aufgaben ist jedoch effizienter und lässt sich gut in das klassische Umfeld einbauen.
2. Planung und Monitoring
Eine agile Methode zur Visualisierung des Projektstatus ist das Kanban-Board, welches mit dem Projektplan aus der klassischen Umgebung vergleichbar ist. Das Kanban-Board bildet die Prozess-Schritte schematisch ab. Sie werden mit einzelnen Vorgängen gefüllt und der Reihe nach abgearbeitet. Die Vorgänge werden vorab in einem Backlog gesammelt und erst dann in das Kanban-Board hineingezogen, wenn ihre Umsetzung innerhalb eines Prozess-Schritts möglich ist. Somit ist auf einen Blick sichtbar, welche Arbeitspakete sich im Backlog, in der Umsetzung oder im Status „Fertig“ befinden.
Eine weitere Methode aus der agilen Umgebung ist die Retrospektive, die in etwa dem klassischen „Lessons Learned“ entspricht. Die Retrospektive, kurz Retro, blickt auf die Zusammenarbeit innerhalb eines Projektteams zurück. Workshop-artig analysieren und diskutieren die Teilnehmenden möglichen Optimierungsbedarf. Daraus werden dann gemeinsam Handlungsmaßnahmen abgeleitet. Bis zur nächsten Retro, welche in regelmäßigen Zeiträumen stattfinden sollte, sind alle Projektteilnehmer dazu aufgefordert, diese umzusetzen.
Auch ein Burndown Chart ist sinnvoll. Es stellt den Projektfortschritt in Bezug auf eine festgelegte Größe wie Zeit, Aufwand oder Restarbeit dar, beispielsweise Restlaufzeit im Vergleich zu verbleibender Arbeit. Gegenüber Statusfolien, die sich in der klassischen Welt detailliert auf die Momentaufnahme sowie auf die vergangene Projektentwicklung fokussieren, erscheint der Projektfortschritt im Burndown Chart viel übersichtlicher.
Auch wenn in der agilen Welt viel Wert auf Flexibilität gelegt wird, ist eine der wichtigsten Methoden das Timeboxing. Wer kennt nicht die Situation, dass Meetings überzogen werden, wodurch sich sämtliche Folgetermine wie in einem Dominospiel verschieben? Mit Hilfe eines fest definierten Zeitfensters beim Timeboxing hält sich jede/r an vorgeschriebene Zeiten.
3. Qualitätsmanagement
In jedem Projekt ist die Sicherstellung der Qualität ein wesentliches Ziel. Das klassische Projektmanagement hat hier einen entscheidenden Schönheitsfehler: Die Qualität des Produkts wird nämlich erst bei der Abnahme überprüft. Doch dann ist es zu spät für Korrekturen.
Die Frequent Verification ist eine agile Methode, die diesen Fehler aushebelt. Dazu wird in regelmäßigen Abständen getestet, ob die Projektergebnisse und sämtliche messbare Aktivitäten den Qualitätskriterien des Kunden entsprechen. Diese Überprüfung ist eine wiederkehrende Aufgabe, die unabhängig von Projektzyklen durchgeführt werden sollte und idealerweise nicht durch die Projektbeteiligten, sondern durch unabhängige Dritte erfolgt.
Eine weitere Möglichkeit für agile Methoden im klassischen Projektumfeld, speziell in der Softwareentwicklung, ist die Continuous Integration: Während des Projekts werden Arbeiten simultan durchgeführt und die Teilergebnisse nach vereinbarter Zeit wieder zusammengefügt. Um ein aussagekräftiges Ergebnis zu erhalten, sollte auch dies in regelmäßigen Abständen getestet werden. Auf diese Weise werden Fehler an den Schnittstellen unmittelbar erkannt und behoben.
Im agilen Kontext wird überdies mit der Definition of Done gearbeitet. Dies sind eine Reihe von Kriterien, die das Produktergebnis erfüllen muss, um als fertig angesehen zu werden. In klassischen Projekten existieren stattdessen Abnahmekriterien. Diese sind aber häufig nicht detailliert genug. Ein Grund dafür ist, dass die Kriterien – im Gegensatz zur Definition of Done – nicht durch das gesamte Projektteam erstellt und während der Projektlaufzeit nicht angepasst werden.
4. Analysetechniken
Während im klassischen Projektmanagement oft ein dedizierter Projektplan als Hauptinstrument zur Analyse dient, existieren im agilen Projektmanagement verschiedene Methoden zur Anforderungsdefinition und Planung.
Die klassischen Meilensteine können im agilen Umfeld durch eine Roadmap ersetzt werden. Um eine Fortschrittskontrolle durchzuführen, werden messbare Zwischenschritte definiert. In iterativen Zyklen entstehen Teilprodukte. Dies verkürzt die Dauer bis zur Fertigstellung.
Eine weitere Analysetechnik sind User Stories, welche die klassischen Pflichtenhefte ersetzen. Dort werden sämtliche Anforderungen zu Beginn des Projektes erhoben und mit den Stakeholdern abgestimmt. Hierdurch entsteht jedoch ein gewisser Raum für Interpretationen bei der Umsetzung. User Stories hingegen stellen diesen Prozess auf den Kopf: Sie beschreiben die Funktionen und Funktionalitäten, die Stakeholder als notwendig erachten. Im Vordergrund steht hier das gleiche Verständnis aller beteiligten Parteien. Nachträgliche Änderungen sind nicht nur zulässig, sondern explizit gewünscht. Dafür müssen alle User Stories bestimmte Kriterien erfüllen, beispielsweise unabhängig, verhandelbar, relevant, schätzbar und testbar.
Durch die Verwendung eines Backlogs im agilen Projektumfeld wird der gesamte Arbeitsaufwand abgebildet. Dadurch ist die klassische To-do-Liste hinfällig. Das Backlog ist ein lebendes Artefakt und wird während der Projektlaufzeit stetig angepasst und erweitert. Die Planung und Umsetzung erfolgt lediglich für die nächste Projektphase und nicht für die gesamte Laufzeit. Anforderungen an das Produkt können so bis kurz vor der Umsetzung aktualisiert werden.
Von Zeit zu Zeit kann es in einem Projekt vorkommen, dass das Vorgehen, die Ziele und die Inhalte unklar werden. Damit keine Unzufriedenheit im Team aufkommt, existiert im agilen Arbeiten die Option eines Project Charters. Empfehlenswert ist, das Charter am Ende einer Projektphase zu erstellen oder zu überarbeiten. Dies geschieht in der so genannten Chartering-Session durch das Projektteam. Im klassischen Umfeld gibt es lediglich ein Projekthandbuch, das erstens nur vom Projektleiter und zweitens schon zu Beginn erstellt wird.
Handlungsempfehlungen
In der Praxis ist es oft eine große Herausforderung, Unternehmen oder Projekte komplett agil aufzubauen. Durch die wohl überlegte Wahl passender Methoden lassen sich aber agile (Teil-)Prozesse einführen. Hybrides Projektmanagement bietet keine Standardlösungen. Es ist keine Stangenware, sondern Maßarbeit. Was und wie viel sich aus der agilen Welt übernehmen lässt, muss jedes Unternehmen für sich selbst entscheiden.
Unseren Ausflug in die hybride Projektwelt wollen wir aber mit einer kurzen Liste agiler Methoden beenden, die sich für den Beginn einfach und problemlos mit einem klassischen Umfeld verbinden lassen:
- Dailys
- Retrospektiven
- Kanban-/ Scrum-Boards
- Definition of Done und Definition of Ready
- Priorisierte User Stories
- Timeboxing