Der Hype um KI (Teil 1) – Viel Lärm um Viel
Künstliche Intelligenz (KI) ist spätestens seit dem Hype, den das junge Unternehmen OpenAI Ende 2022 durch die Einführung des Chatbots ChatGPT erzeugt hat, in aller Munde. Dabei ist KI kein Neuling auf dem Feld der Wissenschaft: Seit der Dartmouth Conference im Jahr 1956 gilt sie als eigenständiges Forschungsgebiet der Informatik. Doch insbesondere im letzten Jahrzehnt sind die praktischen Anwendungsfelder künstlicher Intelligenz explodiert, so dass manch einer von der fünften industriellen Revolution spricht. Teil 1 dieser Artikelreihe gibt Ihnen einen Überblick über Relevanz, Use Cases und Potenziale.
Warum ist KI gerade „Talk of the Town“? Zunächst ist das substanzielle Wachstum der vorhandenen Rechenleistung insbesondere über die letzten Jahre zu nennen (Mooresches Gesetz). Hardwarekomponenten, die vor wenigen Jahren noch unerschwinglich teuer oder deren Leistung nur ein Traum eines jeden Maschine-Learning-Ingenieurs waren, wurden greifbare Realität. Zusätzlich dazu eröffnete sich ein einfacher Zugang zu skalierbaren Rechenleistungen mit Verbreitung der Cloudtechnologie und des Cloudhostings. Als eigentlichen Weckruf müssen jedoch die zum Teil verblüffenden KI-Lösungen genannt werden. Deren Funktionalitäten gehen deutlich über Vieles hinaus, was mit klassischer, regelbasierter Software leistbar ist. Die Fähigkeiten von KI-Lösungen sind in spezifischen Anwendungsgebieten denen der menschlichen ebenbürtig oder sogar überlegen.
Data is the New Oil, AI is the New Electricity.
Use Cases
Und tatsächlich hat KI es in Sachen Effektivität und Effizienz bereits bewiesen. Folgend ein paar Beispiele:
Diese Beispiele verdeutlichen nur einen Bruchteil des unglaublichen Potenzials, das KI für unsere Wirtschaft und Gesellschaft bietet. Gleichzeitig warnten KI-Koryphäen Anfang 2023 in einem medienwirksamen Aufruf [4] vor der existenziellen Bedrohung der Menschheit durch künstliche Intelligenz, was zugleich das enorme Potential aber auch die notwendige Verantwortung im Umgang mit der Technologie illustriert. Führungskräfte, Entscheiderinnen und IT-Experten haben die Verantwortung, diese Technologien nicht nur zu verstehen, sondern auch aktiv einzusetzen, um das eigene Unternehmen für die Zukunft zu rüsten. Dieser Artikel soll als erster Leitfaden auf dieser spannenden Reise dienen.
Blick unter die Motorhaube
Was verbirgt sich hinter diesen beeindruckenden KI-Modellen? Auf elementarster Ebene bestehen diese aus sogenannten neuronalen Netzen – ein Geflecht von verschiedenen Knoten (den „Neuronen“). Neuronale Netze sind in ihrer Benennung und ihrem Aufbau dem menschlichen Gehirn nachempfunden.
Mit der initialen Erstellung eines neuronalen Netzwerkes muss zunächst eine passende Struktur (wie die Knoten miteinander kommunizieren) und Größe (wie viele Schichten das neuronale Netztwerk haben soll) festgelegt werden. Im zweiten Schritt wird im Rahmen von Trainings, unter Zuhilfenahme einer substanziellen Menge an Trainingsdaten, dem neuronalen Netzwerk „Intelligenz“ eingehaucht. Das neuronale Netzwerk gewinnt durch Training an Erfahrung, welches verteilt über sämtliche Neuronen, gespeichert wird. Dies wird maschinelles Lernen genannt und ist ebenfalls eine Teildisziplin der Informatik. Wichtig ist hierbei das Verständnis, dass ein neuronales Netzwerk auf Erfahrungswerte zurückgreift und entsprechend diese nutzt, um Ergebnisse zu generieren. Beispielsweise identifiziert ein neuronales Netzwerk in einem Bild einen Apfel. Das Wissen, wie ein Apfel aussieht bzw. aussehen kann, hat ein neuronales Netzwerk durch Training mit tausenden von Apfelbildern erlernt.
Neuronale Netze ermöglichen es, bisherige Probleme, die lange Zeit mit klassischen Mitteln unlösbar erschienen, zu meistern. Ein Beispiel ist der bereits erwähnte Fall, in welchem der Weltmeister des hochkomplexen Spieles GO durch ein solches neuronales Netz geschlagen wurde. Allerdings geht dieser Gewinn an neuen Nutzungs- und Einsatzmöglichkeiten mit einem Preis der Ungewissheit einher: Neuronale Netze bzw. deren Erfahrung entwickeln sich „eigenständig“ anhand ihrer Trainingsdaten, ihrer Umgebung und eines definierten Ziels weiter. Im Gegensatz zu klassischen Ansätzen, d.h. von Menschen entwickelte Algorithmen und Programme, kann somit seriös kaum bis gar nicht nachvollzogen werden, wie das neuronale Netzwerk zu seinem Ergebnis gelangt. Das Ergebnis kommt aus einer „Black Box“.
Das Problem: Das Ergebnis erfordert Vertrauen.
Grenzenloses Potenzial
Stark vereinfacht lässt sich diskutieren, dass eine KI basierend auf einem neuronalen Netzwerk mit entsprechender Erfahrung sämtliche digitalisierbare Aufgaben bewältigen kann. Drei Einschränkungen sind hierbei zu nennen:
- Das neuronale Netzwerk muss die entsprechende Größe haben, um die Komplexität der Aufgabe zu bewältigen.
- Das neuronale Netzwerk muss Erfahrung sammeln, entweder anhand eines Trainings mit vorhandenen Daten, menschlicher Interaktion oder durch Zugriff auf Umgebungsparameter.
- Ein neuronales Netzwerk muss hinsichtlich eines konkreten Zieles trainiert werden. Das Ziel muss entsprechend gut spezifiziert und mathematisch ausformuliert sein. Ein neuronales Netzwerk ist auf einen Anwendungsfall begrenzt, unabhängig davon wie breit dieser gefasst ist.
Eines der vergleichsweise einfachen Einsatzfelder von KI ist die Automatisierung und Unterstützung bei Aufgaben, die früher viel Zeit in Anspruch nahmen (bspw. das Zusammenfassen von großen Dokumenten oder das Transkribieren von aufgenommenen Gesprächen). Ein Einsatzfeld mit noch deutlich mehr Potenzial ist die Forschung und Entwicklung von Produkten, Software und Hardware. Nüchtern betrachtet muss attestiert werden, dass die Technologien im Kontext von KI der Menschheit ein Jahrzehnt von Sprunginnovationen bescheren wird.
Ebenfalls eröffnen sich auch nach und nach die Einsatzmöglichkeiten von großen Sprachmodellen für stark regulierte Einsatzfelder wie bspw. in Unternehmen. Ende August 2023 hatte OpenAI bekanntgegeben, dass sie ein individualisiertes Training ihres GPT 3.5 Modells, basierend auf den von Unternehmen oder auch Individuen bereitgestellten Trainingsdaten, anbieten werden.[5] Somit kann ein Zuschneiden des bereits bestehenden grundlegenden Modells auf die individuellen Bedürfnisse der Nutzenden erfolgen.
Ein Blick in die Zukunft
Aufgrund der Volatilität und der enormen Dynamik, mit welcher die Entwicklungen voranschreiten, kann nur schwer eine allgemeingültige Aussage über die Zukunft von KI gewagt werden. Dennoch: Die Potenziale, die mit KI einhergehen, werden schon heute gewinnbringend eingesetzt. Insbesondere sind zwei Ansätze zu nennen:
- Nutzung von KI für spezifische Anwendungsgebiete, beispielsweise zu Analyse- und Auswertungszwecken
- Nutzung von generativen KI-Anwendungen auf Basis von großen Sprachmodellen, beispielsweise als Assistenzsystem für die Interaktion zwischen Anwender und KI.
Während Enthusiasten bereits eine generelle künstliche Intelligenz (general artificial intelligence, GAI) am Horizont erblicken, welche nicht mehr nur auf einen Anwendungsbereich beschränkt ist und dem menschlichen Begriff von Intelligenz zumindest sehr nahe kommt, sind andere Vertreter der Branche skeptisch und verweisen darauf, dass selbst einfache multimodale KIs, also KIs mit mehr als einem Input wie beispielsweise Bild und Ton, die Forschung auch heute noch vor große Herausforderungen stellen.
Unbestritten ist jedoch, dass der Einzug von KI in die breite Masse unserer Arbeitswelt nicht mehr aufzuhalten ist. Diese Technologien revolutionieren aktuell den Alltag und die Wirtschaft. Automatismen, menschenähnliche Chatverläufe und Interaktionen sind nur der erste Schritt in einem Wandel, der bereits heute von manchen als die fünfte industrielle Revolution beschrieben wird.
Wenn wir Ihr Interesse rund um das Thema KI wecken konnten, empfehlen wir Ihnen den in Kürze erscheinenden zweiten Beitrag dieser Reihe, der die technologischen Grundlagen von KI beleuchtet. Hier blicken wir in den Motorraum von maschinellem Lernen, neuronalen Netzen und großen Sprachmodellen.
[1] https://edition.cnn.com/2023/07/12/business/dukaan-ceo-layoffs-ai-chatbot/index.html
[2] https://www.spiegel.de/wirtschaft/ki-experiment-der-versicherungen-wenn-herr-kaiser-ploetzlich-ein-chatbot-ist-a-b50e7bf7-fc7e-4e65-a136-c8c3ab65caa5
[3] https://www.deepmind.com/blog/alphadev-discovers-faster-sorting-algorithms
[4] https://futureoflife.org/open-letter/pause-giant-ai-experiments/
[5] https://openai.com/blog/gpt-3-5-turbo-fine-tuning-and-api-updates?utm_source=tldrai
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