Blogbeitrag von:
Lizette Reinhardt, Senior Consultant, Cassini Consulting AG
Lizette Reinhardt
Senior Consultant
IT-Sourcing Partnerschaften
Die Chemie muss stimmen.

IT-Outsourcing ist kein Speed-Dating

Der Weg zur richtigen Partnerschaft im IT-Outsourcing beginnt oft mit einem Request for Proposal (RfP-)Prozess, der sich über drei bis acht Monate erstrecken kann. Dieser Zeitraum ist sowohl für den Auftraggeber als auch den Auftragnehmer intensiv und entscheidend. Ziel ist es, den idealen Partner zu finden und sicherzustellen, dass das anfängliche Hochgefühl nicht schnell verblasst oder sich in das Gegenteil verkehrt. In diesem Beitrag zeigen ich Ihnen, worauf Sie bei der Partnerwahl achten sollten.

Kennzeichen einer erfolgreichen Partnerschaft 

Der erste Schritt in die richtige Richtung ist es, den IT-Dienstleister nicht nur als Zulieferer, sondern als Partner für den digitalen Wandel oder andere bedeutende Projekte zu betrachten. Doch was bedeutet Partnerschaft im IT-Outsourcing-Kontext?

Partnerschaft bedeutet in einem engeren Sinne die Selbstverpflichtung von zwei Organisationen, die sich auf gleicher Augenhöhe begegnen und eine auf dauerhafte Beständigkeit angelegte Beziehung eingehen. Dies geht über das reine Kunde-Anbieter-Verhältnis hinaus und schließt Vertrauen, Engagement und gemeinsame Ziele mit ein. Uns begegnen regelmäßig fünf Schlüsselaspekte, die beachtet werden sollten, um eine erfolgreiche Partnerschaft zu gestalten:

  • Gemeinsame Vision und Ziele: Die Partner müssen eine gemeinsame Vision und klare Ziele für das Projekt oder die langfristige Zusammenarbeit teilen. Dies gewährleistet, dass beide Parteien im Schulterschluss handeln. 
  • Vertrauen und Transparenz: Vertrauen ist das Fundament einer starken Partnerschaft. Hierzu gehört eine offene und transparente Kommunikation. Beide Seiten müssen sich auf Vertraulichkeit und Ehrlichkeit verlassen können.
  • Risikoteilung und Flexibilität: Partnerschaften im IT-Outsourcing sind häufig von einem teilweisen Risikotransfer gekennzeichnet. Beide Parteien sollten bereit sein, gemeinsam Herausforderungen zu bewältigen und sich flexibel an veränderte Anforderungen anzupassen.
  • Klare Rollen und Verantwortlichkeiten: Es ist wichtig, dass die Rollen und Verantwortlichkeiten beider Partner klar definiert und dokumentiert sind. Dies minimiert Missverständnisse und Konflikte.
  • Kontinuierliche Verbesserung: Eine erfolgreiche Partnerschaft erfordert regelmäßige Bewertungen und Feedback-Schleifen, um die Zusammenarbeit zu optimieren.

Die Schlüsselelemente spielen in das traditionelle Spannungsfeld des IT-Sourcings hinein, welches sich zwischen vertraglichen und personellen Aspekten erstreckt. Im nächsten Abschnitt erläutern wir, warum diese scheinbar gegensätzlichen Dimensionen eng miteinander verknüpft sind.

Vertragsgestaltung oder „Vorsorge ist besser als Nachsorge“

Im Kontext von IT-Outsourcing können vertragliche Aspekte, wie partnerschaftliche Verhältnisse, Service Level Agreements (SLAs) und Pönalisierungen, auf den ersten Blick im Widerspruch zur Idee einer Partnerschaft stehen. Dennoch spielt der Vertrag eine entscheidende Rolle. Er fungiert als robustes Fundament, das zur Hand genommen werden kann, wenn Meinungsverschiedenheiten auftreten oder geschäftliche Fragen geklärt werden müssen.

SLAs sollten nicht als einschränkend, sondern als schriftliche Zusicherungen verstanden werden, die dem Auftraggeber eine klare Vorstellung davon vermitteln, welche Qualität er erwarten kann. Gleichzeitig ermöglichen sie dem Auftragnehmer eine präzise Definition dessen, welche Qualität er liefern muss, um die Erwartungen des Kunden zu erfüllen. SLAs bieten somit eine Grundlage für eine klare Kommunikation und die Gewährleistung eines hohen Qualitätsstandards.

Pönalisierungen sind keineswegs dazu da, den Auftragnehmer zu bestrafen, sondern vielmehr, um das partnerschaftliche Verhältnis abzusichern, wenn ein Service nicht den erforderlichen Standards entspricht. Eine marktübliche Vertragsstrafe ist gerecht und dient dem Schutz beider Seiten. Daher ist es von entscheidender Bedeutung, bereits im Rahmen der Due Diligence und den Verhandlungen die Ausgestaltung der SLAs ausführlich zu erörtern, um eine faire und ausgewogene Vereinbarung zu treffen und für potenzielle Herausforderungen gewappnet zu sein. 

Eine gute Möglichkeit ist es, neben Pönalisierungen auch ein Bonusmodell in den Vertrag aufzunehmen. Hierbei wird der Auftragnehmer für regelmäßiges Übertreffen der Anforderungen belohnt. So kann beispielsweise vereinbart werden, dass der Anbieter die erhaltene Summe in die Stabilisierung und Verbesserung der angebotenen Leistungen investiert, was eine Win-Win-Situation für beide Seiten schafft. Dies fördert nicht nur die Qualität der erbrachten Dienstleistungen, sondern stärkt auch das Vertrauen und die Zusammenarbeit zwischen den Partnern.

Persönliche Basis oder „Man muss sich gut riechen können“

Die zwischenmenschliche Beziehung in IT-Outsourcing-Partnerschaften ist von grundlegender Wichtigkeit. Selbst der sorgfältigste Vertrag kann nicht kompensieren, wenn die zwischenmenschliche Chemie fehlt. Der bekannte Ausspruch „Die Chemie muss stimmen, und wir müssen uns auf Augenhöhe begegnen können“ unterstreicht dieses essenzielle Element, das in jeder Ausschreibung als einer der ersten Sätze auftaucht.

Die Auswahl des richtigen Partners beginnt bereits bei der Definition der Long-List. Es stellt sich die Frage, ob ein globaler Partner oder ein Partner aus der näheren Umgebung präferiert wird. Internationale Dienstleister verfolgen beispielsweise andere Prozess-, Service- und Organisationsansätze als nationale mittelständische Unternehmen. Dennoch ist es von entscheidender Bedeutung, dass die Personen, die in der Partnerschaft direkt miteinander agieren, auf derselben Wellenlänge sind.

Folgende konkreten Maßnahmen können die Einschätzung und den Aufbau der persönlichen Basis erleichtern: 

  • Zukünftige Schlüsselakteure kennenlernen: Machen Sie sich frühzeitig mit Ihrem Service und Transition Manager des potenziellen Partners vertraut. Nach der Angebotspräsentation im Rahmen der Due Diligence sollten Sie die Möglichkeit nutzen, regelmäßige Austauschtermine zu vereinbaren, um einander besser kennenzulernen. Diese geringe Zeitinvestition kann langfristig von unschätzbarem Wert sein, um persönliche Anforderungen an die Zusammenarbeit auszutauschen und sicherzustellen, dass die zwischenmenschliche Chemie tatsächlich vorhanden ist.
  • Offenen Dialog ermöglichen: Legen Sie von Anfang an klare und transparente Kommunikationswege fest. Definieren Sie deutlich, wie Informationen ausgetauscht werden sollen, und ermutigen Sie zu einem offenen Dialog. Das schafft eine Atmosphäre, in der Fragen und Anliegen frei besprochen werden können. Seien Sie ehrlich und legen Sie eventuelle Herausforderungen Ihrer IT offen dar, um in eine tiefergehende Diskussion einsteigen zu können. Offenheit fördert nicht nur das Verständnis, sondern trägt auch dazu bei, eventuelle Missverständnisse frühzeitig zu klären. So bauen Sie von Anfang an eine vertrauensvolle Kommunikationsbasis auf. Gleichzeitig legen Sie so die Basis für ein passendes Angebot und reduzieren die Aufwände auf beiden Seiten. 
  • Referenzgespräche vereinbaren: Zögern Sie nicht, direkten Kontakt zu anderen Kunden des potenziellen Partners aufzunehmen. Bitten Sie um Referenzen und vereinbaren Sie Gespräche, um aus erster Hand Einblicke in deren Erfahrungen mit dem IT-Dienstleister zu erhalten. Fragen Sie gezielt nach den Stärken und möglichen Herausforderungen der Zusammenarbeit. Dies ermöglicht Ihnen, realistische Erwartungen zu entwickeln und potenzielle Risiken frühzeitig zu identifizieren. Seien Sie offen für die Perspektiven anderer Unternehmen, da ihre Erfahrungen wertvolle Hinweise für Ihre eigene Entscheidungsfindung liefern können. 
  • Delivery Center besuchen: Planen Sie Besuche in den Delivery Centern, um einen tieferen Einblick in die Arbeitsweise und die Arbeitsumgebung Ihres Gegenübers zu gewinnen. Nehmen Sie sich die Zeit, persönlich vor Ort zu sein und die Prozesse sowie die Infrastruktur zu evaluieren. Führen Sie Gespräche mit den Teammitgliedern, um mehr über Arbeitskultur und Engagement zu erfahren. Diese Besuche ermöglichen es Ihnen, nicht nur die technischen Fähigkeiten, sondern auch die menschliche Seite des potenziellen Partners zu verstehen. Achten Sie auf die Dynamik und den Teamgeist, um Arbeitspraktiken mit Ihren eigenen Erwartungen abzugleichen. Der persönliche Eindruck vor Ort hilft Ihnen, die Passung zueinander zu bewerten.

Fazit

Es braucht die richtige Balance zwischen vertraglichen Vereinbarungen und persönlichen Beziehungen, um gemeinsame Ziele zu erreichen und langfristig erfolgreich zu sein. Nutzen Sie die verschiedenen Phasen des RfP-Prozesses vom Kennenlerngespräch über Briefing-Termine und die Angebotspräsentation bis hin zur Due Diligence und den Verhandlungen, um den kontinuierlichen Dialog aufrechtzuhalten und Ihren Partner kennenzulernen. Durch die sorgfältige Abwägung dieser Schlüsselaspekte können Sie langanhaltende, erfolgreiche Partnerschaften im IT-Outsourcing aufbauen und von den Vorteilen einer engen Zusammenarbeit profitieren. 

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