Eine New-Work Heldengeschichte
Krisenzeiten wie die aktuelle Zeit der Pandemie sind Treiber für Innovation und Anstoß für Veränderungen. Dieses Potential hat sich auch in der öffentlichen Verwaltung entfalten können und Weichen für neue Arbeitswege geschaffen. New Work wurde für viele Organisationen der öffentlichen Verwaltung neue Normalität und hat die Grundlage für ein neues Morgen geschaffen. In einer Studie mit Vertretern und Vertreterinnen der öffentlichen Verwaltung auf Bund-, Landes- und Kommunalebene haben wir im Frühjahr gelernt, dass Arbeitsweisen digitaler und flexibler geworden sind und ein nachhaltiger Effekt erwartet wird. In anschließenden Dialogen und einem Webinar haben wir von den gemeinsamen Herausforderungen und Erfolgsfaktoren auf dem Weg zu Arbeit 4.0 in Krisenzeiten gelernt: entscheidend sind vor allem Anpassungsfähigkeit, Unterstützung der IT-Kompetenz, Vorbilder in der Organisation und ein gesteuerter Kulturwandel. Einige Typen von Organisationen sind uns dabei besonders durch gemeinsame Eigenschaften im Umgang mit der neuen Situation aufgefallen.
Jeder Organisationstyp hat auf seine eigene heldenhafte Weise Lösungswege gefunden – fast wie im Märchen. Lassen Sie sich auf eine Heldengeschichte durch die neue New Work-Welt mitnehmen und verzaubern.
Es war einmal ...
... vor gar nicht langer Zeit, ein Junge. Man nannte ihn „das Tapfere Schneiderlein“, denn er war tapfer und klug und flink und wusste gut mit allerlei Werkzeug umzugehen.
Doch das Tapfere Schneiderlein war nicht glücklich. Jeden Tag betrachtete er die Berge am Horizont und träumte von Abenteuern. „Hier kann ich nicht bleiben“, dachte er bei sich. „In dieser kleinen, engen Stadt komme ich nicht voran. Ich möchte neue Wege beschreiten und mich weiterentwickeln.“
Also schnürte er sein Bündel und machte sich auf ins Unbekannte.
Das Tapfere Schneiderlein wanderte viele Wochen und Monate im ganzen Land umher. Er traf viele Menschen und lernte eine Menge neue Dinge und wenn es ihm irgendwo gefiel, dann schlug er sein Lager auf und blieb eine Zeitlang. Doch er blieb nie lange am selben Ort. Rastlos wanderte er von Stadt zu Stadt, von Dorf zu Dorf, ohne je irgendwo anzukommen.
„So kann es nicht weitergehen“, dachte er, als er eines Nachts sein Lager unter einem alten Baum aufschlug. „Nun habe ich so vieles gelernt, habe so viel erlebt, habe Riesen überlistet, ein Einhorn fortgeführt und ein Wildschwein gefangen, doch noch immer fühle ich mich rastlos. Vielleicht warten dort draußen noch weitere Abenteuer auf mich. Gefahren, die ich bezwingen muss, Hürden, die ich nehmen muss und Erfolge, die ich mir verdienen muss.“ Mit diesen Gedanken schlief er ein und als er am nächsten Morgen erwachte, da wusste er, was er zu tun hatte. Scharfsichtig wie er war, nahm er die Zeichen wahr, die er am Wegesrand sah. Die Zeichen kündeten von großen Herausforderungen und er frohlockte: „Nun kann ich abermals Abenteuer erleben und kann zeigen, was in mir steckt. Ob Riesen oder Wildschweine, Stürme oder große Seuchen – keine Herausforderung ist zu groß für mich, kein Konkurrent zu stark, denn ich bin das Tapfere Schneiderlein!" So sprach sich der Junge selbst Mut zu, als er sich tiefer und tiefer in den dunklen Wald hineinwagte, wo – wie man wusste – die größten Gefahren des ganzen Königreichs lauerten.
Doch gerade, als der junge Schneider beherzt in den Wald hinein spazieren wollte, stieß er mit dem Fuß an etwas und er stolperte und fiel hin. „Hoppla!“, sagte er und sah sich um. Dort, unter einem Haufen Laub verborgen, lag eine Gestalt. Er rappelte sich auf und scharrte mit den Händen die welken Blätter fort. Zum Vorschein kam ein wunderhübsches Mädchen deren schönes Antlitz sein Herz höherschlagen ließ, nur schnarchte sie wie ein Bär.
„Verzeiht, Fräulein“, sagte er, „ich muss wohl versehentlich über Euch gestolpert sein“. Doch das Mädchen antwortete nicht. „Hallo, Fräulein“, versuchte er es abermals, nun etwas lauter, doch das schöne Mädchen schlief einfach weiter. „Tja, sie wacht nicht auf“, stellte das Tapfere Schneiderlein fest. „Aber ich kann sie ja schlecht hier liegen lassen, bei all den Gefahren, die hier lauern.“
Während er noch überlegte, was er nun tun sollte, hörte er Hufgetrappel vom Waldrand her kommend.
Er sah einen Reiter auf einem Pferd, doch es war etwas an ihnen, das merkwürdig wirkte. Als der Reiter näher kam, sah der junge Schneider, dass dieser eine schwere, eiserne Rüstung trug. Auch sein Ross trug eine ebensolche Rüstung. Das kam dem Schneider seltsam vor und er stand auf und fragte „Wer seid Ihr, dass Ihr euch so in Eisen kleiden müsst?“.
Darauf antwortete der Reiter: „Heinrich, mein Name. Diese Rüstung dient nur meinem Schutz.“
„Das ist sicher nicht verkehrt“, antwortete das Tapfere Schneiderlein, „es gehen ja seltsame Dinge vor sich, derzeit.“
„Mich interessiert nicht, was draußen geschieht, solange nur alles seinen gewohnten Gang geht“, antwortete der Eiserne Heinrich. „Ich mag nämlich keine Überraschungen.“
Das Tapfere Schneiderlein runzelte die Stirn. „Ganz wie Ihr meint“, sagte er, „aber sagt mal, wärt Ihr so freundlich, mir behilflich zu sein? Ich trat soeben fast auf ein junges Mädchen, das sich hier zum Schlafen niedergelegt hat. Ich kann sie nicht wachbekommen, vielleicht gelingt es Euch?“
„Grundgütiger!“, rief der Eiserne Heinrich, „das kommt sehr unerwartet. Aber ich will sehen, was ich tun kann.“ Mit diesen Worten griff er in seine Rüstung und holte ein dickes Buch heraus. „Wollen wir doch einmal sehen, was das Regelwerk zum Thema schlafende Mägdelein im Walde zu sagen hat“, murmelte er.
Dem Schneider kam dies sehr merkwürdig vor, aber er schwieg, um den fremden Reiter nicht zu stören, während dieser in seinem seltsamen Regelwerk blätterte.
„Aha, da habe wir es ja“, rief Heinrich aus und leckte sich die Spitze seines Zeigefingers an. Er blätterte weiter bis er die passende Stelle gefunden hatte: „Paragraph 354, Absatz 2: Schlafende Mädchen in einem Laubhaufen sind unbedingt aufzuwecken, da ansonsten eine Erkältung droht“, las er vor. „Das bedeutet, wir müssen die junge Dame wecken.“
Mit diesen Worten trat er zu dem jungen Mädchen, bückte sich und tippte ihr sachte auf die Schulter. „Mit Verlaub, Fräulein“, sagte er, „Ihr könnt hier nicht schlafen, das ist gegen die Regeln.“
„Das habe ich schon versucht“, wandte der junge Schneider ein, doch Heinrich unterbrach ihn mit einer unwirschen Handbewegung. „Schschsch“, machte er, „ich glaube, sie wacht auf!“
Da reckte sich das junge Mädchen und schlug die Augen auf.
„Was tut Ihr hier im Laub?“, fragte der Eiserne Heinrich und schüttelte den Kopf, dass der Helm nur so klapperte. „Wisst ihr denn nicht, dass das gegen die Regeln ist? Der Bursche da“ – er deutete auf den jungen Schneider - „spricht außerdem dauernd von Gefahren. In solchen Zeiten legt man sich doch nicht in einen Laubhaufen! Wie heißt Ihr überhaupt?“
„Dornröschen“, sagte das Mädchen und gähnte herzhaft. „Ich muss wohl eingeschlafen sein“, murmelte sie.
„Und ob“, sagte das Tapfere Schneiderlein und nickte bekräftigend und hielt ihr seine Hand hin, um ihr aufzuhelfen. „Ich habe Euch hier gefunden, ihr wart derart am Schlafen, dass wir Euch fast nicht wach bekommen hätten. Mein Name ist übrigens Harald, aber meine Freunde nennen mich Das Tapfere Schneiderlein!“
„Angenehm“ antwortete Dornröschen müde.
„Heinrich, mein Name“, stellte sich der Reiter vor und sah sich misstrauisch um. „Was tut Ihr überhaupt hier in der Gegend?“
„Hab ich vergessen“, sagte Dornröschen und streckte sich. „Aber in solch schwierigen Zeiten ist es vermutlich ohnehin das Beste, wenn man sich einfach hinlegt und ein Ründchen schläft bis die Gefahr vorbeigezogen ist. Wo sind wir überhaupt?“
„In der Mitte von Nirgendwo“, antwortete das Tapfere Schneiderlein. „Aber warum zum Teufel…“ – wollte er fortfahren, doch er konnte seinen Satz nicht beenden, denn just in diesem Moment erschien direkt vor ihm eine schwarze, nach Schwefel stinkende Rauchwolke und darin stand eine winzige Gestalt mit roten Ohren, spitzen Zähnen und einem leuchtend roten Schwanz.
„Peng!“, machte die Gestalt und zwinkerte mit beiden Augen.
„Ah!“, rief Heinrich und griff sich ans Herz.
„Wer seid Ihr denn?“ fragte das Tapfere Schneiderlein, der sich als Erster wieder gefangen hatte.
„Gestatten, ich bin der Teufel“, sagte das Wesen und verbeugte sich. „Ihr habt gerufen?“
„Na wunderbar“, murmelte Heinrich und klappte das Visier seines Helms herunter, „ich wusste doch, dass es hier noch Schwierigkeiten geben würde!“
„Niemand hat dich gerufen!“, antwortete das Tapfere Schneiderlein dem Teufel und kam sich dabei sehr tapfer vor.
„Oh doch“, erwiderte das Teufelchen und sprach: „Wer immer mich ruft, kann sich auf etwas gefasst machen! Ich habe für jeden von euch eine Aufgabe“, fuhr das Teufelchen fort, „doch um sie zu lösen, müsst ihr euch würdig erweisen. Wenn ihr sie besteht, belohne ich euch mit soviel Gold, wie ihr tragen könnt. Wenn nicht… Tja.“ Das Teufelchen kicherte.
„Das klingt bemerkenswert dumm“, murmelte der Eiserne Heinrich und runzelte die Stirn unter seinem Helm. „Ist das überhaupt legal?“
Das Tapfere Schneiderlein hingegen lehnte sich interessiert nach vorne. „Was müssen wir tun?“
„Das verrate ich euch nicht“, rief das Teufelchen und verwandelte sich prompt in eine hohe Ziegelmauer.
„Ach du liebe Zeit“, gähnte Dornröschen, während sich das Schneiderlein am Kopf kratzte. Der Eiserne Heinrich aber trat sogleich an die Mauer und prüfte sie mit sachkundigem Blick. „Es handelt sich hierbei um eine massive Ziegelmauer“, informierte er die anderen, „mit einer nicht unerheblichen Höhe von…“ – an dieser Stelle holte er ein Maßband aus seiner Rüstung – „exakt 7,77 Metern.“
Dornröschen und das Tapfere Schneiderlein warfen einander einen Blick zu.
„Das ist hoch“, erläuterte der Eiserne Heinrich.
„Wie können wir sie überwinden?“ überlegte das Tapfere Schneiderlein, „vielleicht mit einer Leiter? Oder einem Seil? Oder wir benutzen einen Rammbock und reißen sie einfach nieder?“ Er begann bereits, mit einem Stock in den Sand zu zeichnen, um seine Gedanken zu verdeutlichen.
„Lassen wir die Dinge doch einfach auf uns zukommen“, schlug Dornröschen müde vor. „Das wird sich schon von alleine regeln, nehme ich an. Die Dinge regeln sich ja immer irgendwie von alleine.“
„Papperlapapp“, sagte Heinrich. „Für jedes Problem gibt es eine Lösung. Aber zuerst einmal müssen wir die Regeln und Regularien dieser Aufgabe kennen. Ich bin kein großer Freund von Überraschungen, daher bitte ich um äußerste Disziplin an dieser Stelle.“ Abermals holte er sein dickes Buch aus der Rüstung und begann, darin zu blättern. „Ziegelmauer, Ziegelmauer“, murmelte er vor sich hin, während er Seite um Seite umblätterte, „Irgendwo hier muss doch stehen, was in einem solchen Fall zu tun ist.“
Doch je mehr er blätterte, um so mehr wuchs die Mauer.
„Es muss doch Regeln und Anordnungen für eine solche Situation geben“, rief Heinrich nun sehr verzweifelt, doch die Mauer wuchs immer weiter und begann, ihn langsam zu umschließen, bis er von außen kaum noch zu sehen war.
„Ach, das ist jetzt aber ungünstig“, murmelte Dornröschen und klopfte mit dem Fingernagel gegen die Ziegelwand, die den Eisernen Heinrich nun gänzlich verschluckt hatte. „Armer Heinrich, ich mochte ihn irgendwie.“
„Wir müssen ihm helfen, ihn retten!“ rief das Tapfere Schneiderlein, doch tief in seinem Inneren wusste er, dass Heinrich sich nur selbst aus dieser Misere befreien konnte.
Tief im Inneren des nun sehr hohen Turms versuchte Heinrich, nicht in Panik zu geraten. Sorgfältig prüfte er Material und Beschaffenheit des Ziegelwerks, doch das brachte ihn auch nicht weiter. „Ich muss mir wohl etwas einfallen lassen“, dachte er bei sich, „doch das ist mir noch nie leicht gefallen. Vermutlich hätte das clevere Schneiderlein sich schon längst aus diesem Turm befreit, aber wie?“ Er hielt inne. „Ich muss mich wohl auf meine eigenen Stärken verlassen“, murmelte er. „Versuchen wir es also mit Beharrlichkeit, Disziplin und Systematik.“ Mit diesen Worten brach er ein Stück Eisen aus seiner Rüstung und machte sich daran, Stück für Stück den Mörtel aus den Ritzen zu kratzen, um die Ziegelsteine frei zu legen. Es war eine langwierige und harte Arbeit, doch was Heinrich an Kraft fehlte, machte er durch Ausdauer wieder wett. Langsam arbeitete er sich voran, machte Pausen, wenn er sich ausruhen musste und kam auf diese Weise doch stetig voran, bis er ein Loch freigelegt hatte, das groß genug war, um den Kopf hindurch zu stecken. „Huhu“, machte er und winkte erschöpft. Erfreut streckten Dornröschen und das Schneiderlein ihm die Hände entgegen und zogen ihn mit vereinten Kräften aus dem Loch.
„Schade“, murmelte der Turm und fiel in sich zusammen.
„Das wäre geschafft“, sagte Heinrich und klopfte sich den Staub von der Rüstung, doch just in diesem Moment begann die Erde zu beben.
„Vorsicht!“ schrie das Tapfere Schneiderlein und machte einen Sprung nach links, denn ein tiefer Riss zog sich durch den Boden und wurde immer größer. Dornröschen sah sich verblüfft um. „Achtung, die Erde tut sich auf!“, rief Heinrich, doch das schläfrige Mädchen war viel zu überrascht, um rechtzeitig reagieren zu können und wurde von dem Riss im Boden verschluckt.
„Das ging schnell“, stellte Heinrich fest und blickte bekümmert in den dunklen Abgrund, in dem Dornröschen verschwunden war. „Wäre sie doch nur nicht so langsam gewesen“.
Doch das Tapfere Schneiderlein konnte es nicht fassen „Dornröschen“, brüllte er ein ums andere Mal in den schwarzen Abgrund hinein, „kannst du uns hören?“.
Doch es kam keine Antwort. Tief unten im Inneren der Erde kämpfte das Mädchen gegen die Müdigkeit an.
„Jetzt wäre wohl ein guter Zeitpunkt, um wach zu bleiben“, dachte sie bei sich, „aber ich bin so müde. Vielleicht ein kleines Nickerchen, nur für ein paar Minütchen?“
Doch da bebte die Erde erneut und Dornröschen rutschte noch ein paar Meter tiefer in die finstere Schlucht hinein. „Ach, das ist jetzt wirklich sehr ärgerlich“, murmelte sie und zwinkerte mit den Augen, um in der Dunkelheit etwas erkennen zu können. „So finster, feucht und furchterregend ist es hier unten. Aber wer hätte auch mit so etwas rechnen können?“ Mit ihren zarten Händen berührte sie die schwarze Wand, aber sie konnte keinen Halt darin finden. Nur einige Erdklumpen regneten auf sie hinab.
Droben an der Oberfläche waren der Eiserne Heinrich und das Tapfere Schneiderlein sehr besorgt. „Wir brauchen ein Seil, eine Leiter, irgendeinen Plan“, rief das Tapfere Schneiderlein und sah sich suchend um.
„Das wird ihr nichts nützen“, brummte Heinrich und fuhr fort: „Dornröschen war zu langsam und zu verschlafen und niemand wird ihr helfen können, außer sie selbst. Dumm ist sie ja nicht, denke ich.“
Tief im Inneren der Erde dachte Dornröschen scharf nach: „Wenn etwas Unvorhergesehenes passiert“, überlegte sie, „ist scheinbar eine rasche Reaktion vonnöten. Ach, warum muss ich nur so träge und verschlafen sein! Aber irgendetwas muss sich doch machen lassen…“ Nachdenklich zwirbelte sie eine Haarsträhne zwischen den Fingern. „Wenn ich nur so lange Haare hätte, wie meine Cousine Rapunzel“, überlegte sie. Dann könnte ich mir ein Seil knüpfen und an einen Haken knoten, mit dem ich mich hinaufziehen könnte… AH!“ Plötzlich sprang sie auf die Füße. „Dort in der Erde wachsen ja zähe, harte Wurzeln! Und dort oben ranken dornige Zweige in diese Schlucht hinein. Wenn ich mich nun an ihnen festhalte und kräftig klettere?“
Mit diesen Worten raffte sie beherzt den Saum ihres Kleides und stemmte ihren Fuß in die Erde. Mit einer Hand hielt sie sich an einer Wurzel fest, während die andere Hand nach dem nächsthöherliegenden Halt suchte. Mit viel Geduld schob sich das zarte Dornröschen Meter für Meter durch das Erdreich hinauf, bis sie schließlich den obersten Rand des Abgrunds erreichte. Sogleich streckten sich ihr die Hände von Heinrich und dem Tapferen Schneiderlein entgegen, die sie gemeinsam in die Höhe hievten. „Das wäre geschafft“, sagte Dornröschen und schüttelte ihren Rock aus. Doch die Erleichterung währte nicht lange. Im nächsten Augenblick bebte die Erde erneut und aus den Trümmern des Ziegelturms erwuchs ein Labyrinth, so groß und verwinkelt, dass es keinen Anfang und kein Ende zu haben schien.
„Potzblitz!“ rief Heinrich aus und kratzte sich am Bart.
„Och nö“, machte Dornröschen. „Nicht schon wieder.“
Doch das Tapfere Schneiderlein war entzückt. Er entriss dem Eisernen Heinrich sein Schwert, nahm Anlauf und rannte freudig in das furchterregende Labyrinth hinein. „Auf zu neuen Abenteuern“ rief er und das war auch das Letzte, das seine Freunde von ihm hörten.
„Er wird da drinnen Hilfe brauchen“, sagte der Eiserne Heinrich düster. „Jede Wette.“
„Sollten wir ihm nicht nachgehen und ihm helfen?“, fragte Dornröschen, doch sie kannte bereits die Antwort: Jeder Held muss sein eigenes Abenteuer bestehen.
Tief im Inneren des Labyrinths war das Tapfere Schneiderlein dabei, durchzudrehen. Die ersten Biegungen und Abzweigungen des Irrgartens hatte er enthusiastisch in Angriff genommen, zuversichtlich, dass er alsbald den richtigen Weg gefunden haben würde. Doch dann tauchten die ersten Sackgassen auf und der junge Abenteurer musste immer wieder umkehren und legte dabei viele Kilometer zurück. Bald schon wurde er müde und mürrisch und seine anfangs so überschäumende Energie begann zu versiegen.
„Verflixt nochmal“, dachte er bei sich, „ich war so sicher, dass ich durch meine Schnelligkeit, meine Tapferkeit und meine Klugheit diese Aufgabe flink würde lösen können, aber das hier ist viel schwieriger, als ich dachte. Wie haben überhaupt die anderen Beiden ihre Prüfungen bestanden? Der Eiserne Heinrich hat es tatsächlich mit seiner verkopften Art geschafft, sich aus dem Turm zu graben. Und das übermüdete Dornröschen hatte genug Kraft, Geduld und Gelassenheit, um aus dem Loch zu klettern, dabei hätte ihr das niemand zugetraut. Und Heinrich hat es mit Disziplin und Ausdauer geschafft. Das ist es! Die beiden waren überhaupt nicht so unfähig, wie es am Anfang den Anschein hatte. Sie haben einfach ihre Stärken genutzt und ihre Schwächen überwunden!“
Das Tapfere Schneiderlein überlegte: „Einfach drauflos zu rennen hat nicht viel gebracht. Da habe ich mich wohl selbst überschätzt. Nun muss ich mir etwas anderes einfallen lassen. Wenn ich nur eine Leiter hätte, dann könnte ich damit auf eine der Mauern klettern und mir einen Überblick verschaffen.“
Langsam ging das Tapfere Schneiderlein in seiner Sackgasse auf und ab. Dann fiel ihm das Schwert in seiner Hand ein. Es hatte eine stabile Klinge und einen dicken Griff. Er lehnte es mit der Spitze nach unten an die Mauer und prüfte behutsam den Halt. Wenn er nun…?
Er stemmte seinen linken Fuß auf den Griff des Schwertes und stieß sich beherzt mit dem anderen Fuß vom Boden ab. Das Schwert bog sich und fiel um, doch das Tapfere Schneiderlein hatte gerade noch rechtzeitig mit den Fingerspitzen den Rand der Mauer erreicht und zog sich keuchend nach oben. Von hier aus konnte er das gesamte Labyrinth überblicken, das sich fast bis zum Horizont zog. In der Ferne hörte er den Eisernen Heinrich und Dornröschen jubeln, denn sie hatten seine Gestalt in der Mitte des Labyrinths auf der Mauer erspäht. Das Schneiderlein sah sich um: „Da drüben links, danach scharf rechts und dann nach der zweiten Abzweigung geradeaus“, sagte er zu sich. „Es dürfte am praktischsten sein, wenn ich gleich hier oben bleibe“, dachte er und lief los. So spazierte er auf der Mauer des Labyrinths entlang, mal nach links, mal nach rechts, mal geradeaus und hatte immer den richtigen Weg im Blick.
„Donnerwetter“, sagte der Eiserne Heinrich anerkennend, als er den jungen Schneider so behände über die Mauern hüpfen sah, „ein wahrer Pfundskerl!“
„Und schnell obendrein“, sagte Dornröschen und reckte den Kopf um besser sehen zu können.
Das Tapfere Schneiderlein aber war dabei, die wichtigste Lektion seines Lebens zu lernen: Ein jeder hat seine Stärken und Schwächen, es kommt nur darauf an, was man daraus macht.
Das Teufelchen aber erging sich, just in dem Moment, in dem das Labyrinth in sich zusammen fiel, in einem solch wilden Wutanfall, der bis an die Grenzen des Königreichs zu hören war. Die drei Helden jedoch hörten von dem Geschrei des Teufels nichts mehr. Sie marschierten Arm in Arm dem Horizont entgegen, denn ein jeder von ihnen hatte seinen persönlichen Schatz gefunden: Gold, Zuversicht und wertvolle Erkenntnisse.
THE END?!?
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