Wie die Digitalisierung der Modeindustrie hilft, nachhaltiger zu werden.
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Wie die Digitalisierung der Modeindustrie hilft, nachhaltiger zu werden.

Neben der Nachhaltigkeit wurde auch die Digitalisierung in den letzten Jahren zu einem Trendthema und zu einem Entwicklungstreiber. Daher kann die Digitalisierung die Modeindustrie dabei unterstützen, nachhaltiger zu werden und so die Umwelt zu schützen. Betrachtet man digitale Technologien und Nachhaltigkeit zusammen, haben sie großes Potenzial und profitieren voneinander – man spricht bei dieser Verbindung auch von Twin Transition. Mit digitalen Technologien wie beispielsweise dem digitalen Zwilling, 3D-Druckern oder der Personalisierung von In-Store-Flächen können Modeunternehmen nicht nur Umweltauswirkungen reduzieren, sondern auch Kosten einsparen und gleichzeitig die Customer Experience erhöhen. 

Das Thema Nachhaltigkeit ist in aller Munde und dennoch hat sich die Fashionindustrie in den letzten Jahren kaum verändert. Sie produziert mit 80 Milliarden Kleidungsstücken mehr als je zuvor. Konsument*innen passten ihr Einkaufsverhalten an den Fast-Fashion-Trend an und haben ihre Nachfrage von 2000 bis 2014 nahezu verdoppelt. Dabei zahlen Verbraucher*innen oftmals für ein T-Shirt weniger als für eine Tasse Kaffee. 

Zum Ressourcenverbrauch durch die Textilproduktion fallen mit dem Onlinehandel große Mengen an Paketen, Verpackungsmaterial und gefahrene Kilometer der Transportunternehmen an. Jedes Paket verursacht im Schnitt 600 Gramm CO2. Im Bestellen und vor allem im Retournieren sind die Deutschen spitze. Laut Analysen der Firma Shopgate wurden im Jahre 2021 rund 530 Millionen Pakete retourniert.

Kann eine Branche, die Unmengen an natürlichen Rohstoffen verbraucht, überhaupt nachhaltig sein? 

Unternehmen wie H&M, Zara, aber auch Hugo Boss definieren nachhaltige Produkte unter anderem darin, dass sie einen gewissen Prozentsatz an ökologischen Materialen haben (z.B. zertifizierte Bio-Baumwolle). Puma geht mit seinen 10FOR2025 Zielen weiter und bezieht unter anderem Arbeits- und Umweltbedingungen mit ein. Ecoalf setzt seinen Fokus beim Thema Nachhaltigkeit auf recycelte Materialien, die mehrheitlich aus den Weltmeeren gesammelt werden. Nicht ohne Grund: Die Ansprüche von Verbraucher*innen und die regulatorischen Rahmenbedingungen verändern sich rasant.

Hebel der Digitalisierung für mehr Nachhaltigkeit

Die Digitalisierung kann in unterschiedlichen Phasen der Wertschöpfung wertvolle Beiträge leisten. Im Folgenden stellen wir Ihnen vier Anwendungsgebiete und ausgewählte Praxisbeispiele vor, die für mehr Nachhaltigkeit in der Modeindustrie sorgen.

Effizienzsteigerung in der Produktion

Durch Einsatz von digitalen Technologien wie automatisierten Produktionstechniken, digitale Schnittmustererstellung und 3D-Design können Hersteller die Effizienz ihrer Produktionsprozesse steigern und dadurch Abfall reduzieren und Ressourcen sparen. In der Fast-Fashion-Branche sieht ein normaler Produktionszyklus vor, dass die Waren ein halbes Jahr vor Verkaufsstart von Einkäufern geordert werden. Somit findet der eigentliche Designprozess neun bis zwölf Monate vor dem Launch der Produkte statt. Da die meisten Fast-Fashion-Unternehmen aufgrund der Preise und damit höheren Margen in Asien produzieren, findet auch dort der Sample-Prozess statt. Designer kreieren die Produkte auf Papier, wählen Stoffe und Materialien aus und übermitteln die fertigen Designs an die Produktionsstätten, die einen ersten Entwurf fertigen und per Flugzeug zurück nach Deutschland schicken. Diese Samples werden per Flugzeug eingeflogen, weil der Weg per Zug oder Schiff viel zu lange dauern würden. Sobald die Samples in Deutschland angekommen sind, nehmen die Designer Änderungen und Anpassungen vor und übersenden sie an ihre Produktionsfirmen. Dieser Prozess ist ressourcenaufwändig und kostspielig und nicht gerade nachhaltig. 

Eine Alternative, wie man diesen Prozess nachhaltiger gestalten kann, ist mithilfe eines 3D-Druckers. So können die designten Stücke direkt vor Ort gedruckt und angepasst werden, ohne dass die Samples durch die halbe Welt geflogen werden. Eine andere Option ist, dass die Teile gar nicht mehr gesampelt werden und nur digital zur Verfügung stehen. Das ist meist nur bei Artikeln möglich, die bereits so oder ähnlich produziert worden sind und man ungefähr weiß, wie der Artikel am Ende aussehen muss. Durch die Verwendung von 3D-Scannern können Designer also schnell und einfach eine digitale Version ihrer Designs erstellen, ohne physische Prototypen herstellen zu müssen. Dies spart zudem Materialkosten und reduziert den ökologischen Fußabdruck.

Unternehmen können nicht nur ihre Supply-Chain und den Designprozess nachhaltiger und kosteneffizienter gestalten, sondern auch die Produktfotos. Produktfotos sind für das Commerce-Geschäft unverzichtbar. Kund*innen gewöhnen sich an immer mehr Tools, mit deren Hilfe sie bequemer einkaufen können. Eine große Auswahl an Produktfotos und genaue Beschreibungstexte sind die Basis dafür. Mithilfe von digitaler Technologie ist es möglich, Produkte, die auf einer Büste oder einem Mannequin fotografiert worden sind, auf ein Model zu projizieren und diese Produktfotos für den Onlineshop zu benutzen. Mit Hilfe dieser digitalen Technologien kann sowohl CO2 als auch Kosten eingespart werden.

Nachverfolgbarkeit und Transparenz

Digitale Technologien erhöhen auch die Transparenz der gesamten Liefer- und Wertschöpfungskette. RFID-Chips oder Barcodes ermöglichen zum Beispiel die Rückverfolgbarkeit ganzer Chargen, aber auch einzelnen Produkte in Bezug auf deren Herkunft und Produktionsbedingungen. Zudem können Modeproduzenten ihre Produktions- und Arbeitsbedingungen, aber auch die Umweltauswirkungen auf sozialen Plattformen transparenter darstellen. All das lässt sich z.B. auf QR-Codes an den Kleidungsstücken auch leicht für Handelspartner und Konsument*innen zugänglich machen. Und auch das Second Life oder der Weg zum neuen Produkt kann digital abgebildet werden. Zum Beispiel arbeitet das deutsche Modelabel ARMEDANGELS bereits in Form eines QR-Codes an der Transparenz ihres Recycling-Prozesses. In Form einer virtuellen ID können Konsument*innen Herkunft und Verarbeitung der Produkte besser nachzuvollziehen.

Tracing sorgt für Transparenz
Mittels QR-Code Transparenz über den Recycling-Prozess [Bildquelle: armedangels.com]

Virtualisierung von Einkaufserlebnissen (und Reduktion der Retouren)

Durch die Erstellung von virtuellen Einkaufserlebnissen und Online-Plattformen können Einzelhändler den Verbraucher*innen eine Alternative zum physischen Einkauf in Geschäften bieten. Dies kann dazu beitragen, den Ressourcenverbrauch durch den Transport von Produkten und den Energieverbrauch von Geschäften zu reduzieren.

Gerade im letzten Jahr ist der Trend rund um das Einkaufserlebnis mit dem digitalen Zwilling oder der virtuellen Umkleidekabine deutlich bekannter geworden und einige Unternehmen arbeiten an einem eigenen digitalen Zwilling für ihre Konsument*innen. Doch was ist ein digitaler Zwilling eigentlich? Die H&M-Gruppe bietet ihren Kund*innen bereits in manchen Ländern an, in die stationäre Filiale zu kommen und sich vor Ort ausmessen zu lassen und so einen digitalen Scan von ihrem Körper anfertigen zu lassen. Die Vision ist, dass Kund*innen mit diesem Body Scan bzw. digitalen Zwilling von sich online bei H&M im Onlineshop einkaufen können.

Virtuelle Umkleide
Die virtuelle Umkleide [Bildquelle: H&M Group]

Der digitale Zwilling wird automatisch im Kundenkonto hinterlegt und kann so jegliches Kleidungsstück „anprobieren“. Kund*innen können direkt sehen, wie ein Kleidungsstück ausfällt oder an ihnen sitzt, ohne den Artikel zu bestellen und ggf. wieder zu retournieren. Mithilfe des digitalen Zwillings will die H&M-Gruppe die Retourenquote senken und somit Emissionen und Kosten einsparen.

Einkauf mit dem digitalen Zwilling
Der Einkauf mit dem digitalen Zwilling senkt die Retourenquote

Nicht nur H&M hat das Potenzial des digitalen Zwillings erkannt. Auch Puma, Hugo Boss und Zalando arbeiten derzeit an ersten Entwicklungen. Und dabei ist die Technik rund um Augmented Reality (AR) und Virtual Reality (VR) nicht neu. Ursprünglich aus der Gamingbranche kommend, nutzten schon Firmen wie Ikea die Methode, damit Konsument*innen ihre Wohnung mit den Möbelstücken von IKEA virtuell einrichten können, oder Mister Spex, die bereits seit Jahren die virtuelle Anprobe von Sonnenbrillen und Brillen anbietet, um direkt zu überprüfen, ob Brillenform und Modell zusagen. 
Virtual Reality wird seit Jahren bereits von der Social Media Firma Snapchat zu Verfügung gestellt, indem Nutzer*innen sich verschiedene Filter auf das Gesicht projizieren lassen können. Snapchat hat nach ersten Kooperationen wie mit dem Sportartikelhersteller Nike nun angekündigt, dass sie stationäre Filialen mit ihrer Technologie ausstatten wollen, um so die digitale Umkleide für Konsument*innen erlebbar zu machen. Die Vision ist, dass es in Zukunft in stationären Filialen keine normalen Umkleiden mehr geben wird, sondern Kund*innen Produkte ausschließlich mit Hilfe von digitalen Zwillingen und AR anprobieren sollen.

Personalisierung

Neben der Virtualisierung von Einkaufserlebnissen spielt auch die Personalisierung im Einzelhandel eine immer größere Rolle. Das Tracking der Customer Journey durch einen Onlineshop und der suchmaschinenoptimierte Aufbau von Webseiten ist heute essenziell für den Erfolg im Onlinehandel. Wussten Sie, dass es mittlerweile auch hierfür eine nachhaltige Variante gibt – Lesen Sie den Artikel Grünes SEO von Meike Sprickmann-Kerkerinck.

Auch in physischen Stores kann mittlerweile das Verhalten von Kund*innen analysiert werden. Die klassische Kundenkarte hilft Modehändlern, die individuelle Kaufhistorie zu analysieren und z.B. personalisierte Werbeangebote auszuspielen. Kameras und Sensoren helfen dabei, das Kaufverhalten innerhalb der Stores zu tracken und Zusatzangebote besser platzieren zu können. Durch die Verknüpfung mit vorhandenen Kundenkonten und digitalen Einkaufserlebnissen innerhalb der Umkleidekabinen können so personalisierte Angebote automatisch an die Kund*innen im Store herangetragen werden. 

Auf der Verkaufsfläche können Einzelhändler mittels Touchscreens ihr In-Store-Angebot durch das Angebot in ihrem Onlineshop erweitern und so das gesamte Sortiment anbieten oder weitere Informationen zu den Artikeln wie z.B. Herstellungsprozess oder Informationen zu den Materialien zur Verfügung stellen. 

Wie kann Cassini dabei helfen?

Sowohl Digitalisierung als auch Nachhaltigkeit haben in den vergangenen Jahren immer mehr an Popularität gewonnen und sind mittlerweile nicht mehr wegzudenken. Und das auch außerhalb der Fashionbranche. Die Nachfrage nach nachhaltigen Produkten steigt kontinuierlich an und die Digitalisierung kann Ihnen dabei helfen, Ihr Unternehmen nachhaltiger aufzustellen und zu gestalten. Ob die Erstellung und das Einbinden eines digitalen Zwillings auf Ihrem Onlineshop, die Analyse Ihrer Supply Chain oder Ihrer Produkte – wir beraten Sie bei der strategischen Planung und der Umsetzung Ihrer Maßnahmen für eine digitale und nachhaltige Zukunft. 

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