Blogbeitrag von
Raphael Feikus, Cassini Consulting
Raphael Feikus
Senior Consultant
OZG-Booster
Öffentliche Verwaltung

OZG-Umsetzung: Welche Impulse der OZG-Booster liefert

Die OZG-Umsetzung wird durch den OZG-Booster nochmals angeschoben. Wir zeigen auf, welche Implikationen dies für die aktuell laufende Realisierung des OZG, für die umsetzenden und nachnutzenden Länder und für die zukünftige Verwaltungsdigitalisierung mit sich bringt.

Mit dem „Gesetz zur Verbesserung des Onlinezugangs zu Verwaltungsleistungen“ – bekannt unter der Abkürzung OZG – hat der Bund im Jahr 2017 die Weichen für eine moderne öffentliche Verwaltung gestellt. Trotz einiger Erfolge, welche insbesondere durch das Einer-für-Alle (EfA) Konjunkturprogramm realisiert wurden, ist es heute kein Geheimnis, dass die Frist zum 31.12. nicht eingehalten werden kann. 

Um die besondere Bedeutung einiger Verwaltungsleistungen für die aktuelle Umsetzung zu betonen, hat der IT-Planungsrat den OZG-Booster beschlossen. Ausgewählte Leistungen sind demnach durch die Länder zu priorisieren, sodass diese im Jahr 2022 flächendeckend ausgerollt werden. 

Dieser OZG-Booster ist unter verschiedenen Gesichtspunkten ein gelungenes Instrument und wird in zweierlei Hinsicht wertvolle Impulse und weitere Anknüpfungspunkte geben: 

  1. Nicht alle OZG-Leistungen werden bis zum Jahresende umgesetzt sein. Egal ob für den Abschluss begonnener oder noch neu zu initialisierender Projekte: Diese OZG-Vorhaben werden von den Erfahrungen der geboosterten Leistungen profitieren. 
  2. Die Erfahrungen der aktuellen OZG-Umsetzung, die durch den OZG-Booster einzelner Leistungen nochmals ausgebaut werden, werden in das laufende Verfahren zur Ausarbeitung des „OZG 2.0“ Einzug halten. Diese Erfahrungen werden die Verwaltungsdigitalisierung in den kommenden Jahren maßgeblich mitgestalten und beschleunigen. 

Erfolgsfaktoren und direkte Impulse des OZG-Boosters

Zum Erfolg des OZG-Boosters trägt vor allem die vorgenommene Priorisierung bei, wodurch sich die Länder auf bestimmte Verwaltungsleistungen fokussieren. Diese Priorisierung ist ein richtiger Schritt, da diese der Relevanz der einzelnen Leistungen Rechnung trägt. Zwar ist die flächendeckende Digitalisierung ein erstrebenswertes Ziel, jedoch hat die digitale Gewerbeanmeldung sicherlich eine deutlich höhere Relevanz als die Beantragung von Wildursprungsscheinen.  

Dass sich der Booster mit der Festlegung einer Priorisierung lediglich auf einen organisatorischen Aspekt fokussiert und nicht mit einer zusätzlichen Finanzierung zur Umsetzung einhergeht, ist verständlich. Die EfA-Umsetzung ist mit dem Konjunkturmitteln bereits großzügig finanziert. Zudem ist nicht zu erwarten, dass ein erneuter finanzieller Anschub dazu beitragen wird, die aktuell bestehenden Herausforderungen zu lösen. 

Der Erfolg des OZG-Boosters hängt nicht nur von der initialen Umsetzung ab, sondern vor allem von der Nachnutzung weiterer Bundesländer. Bildlich gesprochen werden die Pflanzen der umsetzenden Länder zwar ausreichend gedüngt und gewässert - der Booster trägt jedoch nicht dazu bei, die Ernte durch die nachnutzenden Länder auch tatsächlich einzufahren. Die Nachnutzung und die dahinterstehende Make-or-Buy-Entscheidung ist vielschichtig. Jedoch könnte eine Übernahme der Betriebskosten die Nachnutzungsentscheidung der Länder vereinfachen und den Erfolg des OZG-Boosters steigern. 

Durch den OZG-Booster werden nun zeitnah weitere OZG-Leistungen zur Nachnutzung bereitstehen. Dies ermöglicht vielen Ländern einen Perspektivwechsel. So können mit dem OZG-Booster Nachnutzungsstrategien mit entsprechenden Strukturen und Verantwortlichkeiten innerhalb der Länder aufgebaut oder bestehende Konzepte an bald verfügbaren Online-Diensten verprobt werden. Es bietet sich die Möglichkeit, den Roll-Out in den Vollzugsstellen vorzubereiten und mit einem Changemanagement zu orchestrieren. 

Indirekte Impulse für die weitere OZG-Umsetzung

Der OZG-Booster bewirkt, dass alle Länder Erfolge in der OZG-Umsetzung vorweisen können und ein relevanter Anteil der OZG-Leistungen umgesetzt wird. Eine flächendeckende OZG-Umsetzung wird trotz des EfA-Prinzips aber nicht erreicht werden. Auch für die aktuell laufende Umsetzung der nicht geboosterten EfA-Leistungen wird der Booster einige Implikationen bieten. 

Die finanzielle Dimension der Nachnutzung ist aufgrund mangelnder Erfahrungswerte durch Unsicherheiten geprägt. Die Kalkulation belastbarer Kosten für zentral betriebene und dezentral genutzte Online-Services fällt vielen Ländern schwer. Dies wird durch den OZG-Booster nicht gelöst. Jedoch ermöglicht die Priorisierung erarbeitete Kostenmodelle einem Härtetest zu unterziehen, bevor alle OZG-Leistungen ein Preisschild erhalten. Ebenso können die Länder und Kommunen eine Indikation für die Kosten der Nachnutzung bekommen und entsprechende Mittel in den Haushalten für die kommenden Jahre vorsehen. 

Weitere Herausforderungen betreffen die technische Dimension. Viele Länder haben die ersten anderthalb Jahre der EfA-Umsetzung gut genutzt und eine EfA-fähige Infrastruktur auf Basis moderner Technologien wie Low-Code-Plattformen oder Künstlicher Intelligenz aufgebaut. Dennoch existieren noch einige unbeantwortete Fragestellungen, beispielsweise die konkrete Ausgestaltung des ePayments oder des Rückkanals. Bereits jetzt ist eine fragmentierte IT-Landschaft mit einigen offenen Enden – als Beispiele sind hier Anbindung an Fachverfahren, E-Akten oder Kassensysteme genannt – in den Ländern entstanden.  

Mit dem OZG-Booster besteht die Möglichkeit, die in den verschiedenen Ländern genutzten Technologien nicht nur im umsetzenden Land, sondern auch in nachnutzenden Ländern weiter zu entwickeln. Auf Basis identifizierter Best Practices können die föderalen IT-Standards fortgeschrieben werden. So kann an die derzeitig bestehende föderale IT-Infrastruktur angeknüpft und diese so ausgebaut werden, dass die aus der OZG-Umsetzung entstehenden offenen Enden in einem aktualisiertem Big Picture münden.  

Dieses Big Picture muss nicht zwingend starre Vorgaben für die einzelnen Bestandteile beinhalten. Die im OZG entstandenen IT-Infrastrukturen der Länder zeigen, dass verschiedene Ansätze erfolgreich sein können. Das Big Picture versteht es, den verschiedenen IT-Infrastrukturen einen Rahmen zu geben und mit Vorgaben zur Interoperabilität ein Zusammenwirken verschiedener IT-Infrastrukturen zu unterstützen. 

Weitere Impulse für die zukünftige Verwaltungsdigitalisierung

Es wird deutlich, dass sich die Verwaltungsdigitalisierung nicht nur auf den aktuellen Umfang des OZG – der Bereitstellung von Online-Services – beschränken kann. Vielmehr werden basierend auf den Online-Services die derzeit mit dem „OZG 2.0“ assoziierten Themen wie die Ende-zu-Ende-Digitalisierung und die damit verbundene Registermodernisierung und Integration in die Fachverfahren eine bedeutende Rolle einnehmen. 

Für diese zukünftigen Themen der Verwaltungsdigitalisierung sind jedoch nicht nur technische Fragestellungen relevant. Die aktuelle OZG-Umsetzung zeigt auch die Relevanz der häufig als weiche Faktoren bezeichneten Aspekte, beispielsweise die länderübergreifende Zusammenarbeit. Das OZG hat gezeigt, dass der Föderalismus nicht immer Hemmschuh, sondern auch Beschleuniger sein kann, wenn die Länder wie in der EfA-Umsetzung zusammen agieren. Ebenso bietet der Föderalismus die Grundlage für das wirtschaftlich attraktive EfA-Prinzip. Darüber hinaus schaffen die unterschiedlichen Ansätze der Bundesländer neue Perspektiven und Ideen. Eine Gesamtstruktur des Programms versteht es, auch zukünftig die Lerneffekte aus verschiedenen Projekten der Verwaltungsdigitalisierung zu konsolidieren, Synergieeffekte zwischen Projekten zu realisieren und diese allen Akteuren zur Verfügung zu stellen. Hierzu wird eine zentrale Stelle benötigt, die die Akteure zusammenführt und die Rahmenbedingungen kontinuierlich beobachtet und fortschreibt. Sie berücksichtigt stärker die mit dem Föderalismus verbundene heterogene Stakeholderlandschaft, welche in diffundierenden Verantwortlichkeiten resultiert. So erfordern OZG-Mischleistungen - Verwaltungsleistungen, welche aus einem Bundes- und einem Landesanteil bestehen - erhöhte Abstimmungsbedarfe. Selbiges gilt für OZG-Leistungen, welche in den Bundesländern von unterschiedlichen Behörden vollzogen werden. Eine starke Governance trägt auch zukünftig dazu bei, die unterschiedlichen Akteure zu vernetzen und die unterschiedlich gelagerten Interessenslagen zu berücksichtigen. 

Während die OZG-Umsetzung aktuell Top-Down getrieben ist, könnte eine um eine Kommunalvertretung gestärkte FITKO den Gemeinden die Möglichkeit eröffnen, Impulse für die weitere Verwaltungsdigitalisierung aus allen Ecken der Bundesrepublik an eine Zentrale zu übermitteln. So wird nicht nur der Erfolg des OZG-Boosters, sondern der gesamten Verwaltungsdigitalisierung davon abhängen, wie viele Vollzugsstellen sich an die zentralen Entwicklungen anhängen können. 

Die vergangenen Jahre haben gezeigt, dass die OZG-Umsetzung nur der Startpunkt eines Transformationsprozesses ist, welcher sich bereits heute durch eine enorme Reichweite mit einer umfassenden Betroffenheit der öffentlichen Verwaltung auszeichnet. Zwei Aspekte werden dies zukünftig nochmals verstärken: 

  • Durch den zeitlichen Verzug der OZG-Umsetzung sind viele Akteure bis heute noch nicht intensiv mit der OZG-Umsetzung in Berührung gekommen. 
  • Darüber hinaus hat sich die OZG-Umsetzung bisher nur auf die Digitalisierung des Antragswesens beschränkt. 

Die zukünftige Verwaltungsmodernisierung wird jedoch auf eine Ende-zu-Ende Digitalisierung ausgeweitet. Diese wird nochmals deutlich technischer ausgestaltet sein und die öffentliche Verwaltung umfassender berühren. Umso wichtiger wird es sein, die Menschen, die die von den Bürgerinnen und Bürgern eingehenden Anliegen bearbeiten, mitzunehmen und in diesem Transformationsprozess zu unterstützen. Nur wenn dies gelingt, wird die öffentliche Verwaltung den aktuell durch die OZG-Umsetzung bestehenden Projektcharakter der Verwaltungsdigitalisierung ablegen können und diese als ständigen Bestandteil der modernen öffentlichen Verwaltung internalisieren. 

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