Volker Rüttgers ist Regional Product Manager bei Daiichi Sankyo (seminational verantwortlich) und für die Sicherstellung der Umsetzung der Produktstrategie und die Entwicklung von relevantem Content auf Basis von Markt-Insights auf Omnichannel-Ebene zuständig. Zudem ist er Product Owner eines Agile Teams mit dem Auftrag, flexibel auf adressierte Bedürfnisse der Kunden zu reagieren und Experimente in der Marktbearbeitung durchzuführen.
Im Interview sprach er mit uns über die besonderen Herausforderungen in der Pharma-Industrie, wie sich Kundenbedürfnisse in den letzten Jahren geändert haben und wie Daiichi Sankyo auf die volatilen Gegebenheiten reagiert.
Lieber Volker, vielen Dank, dass Du Dir die Zeit nimmst für dieses Interview! Wir sprechen heute über das Thema Customer Experience. Zunächst eine Frage vorweg: Wer ist für euch, Daiichi Sankyo, eigentlich der Customer und was sind spezifische Aspekte in Bezug auf Branche und Geschäftsmodell?
Wir unterscheiden in unserem regulierten Markt (verschreibungspflichtige Arzneimittel) zwischen Customer und Stakeholder. Unsere Customer, i.S.v. Anwender sind kardiovaskuläre Risikopatienten, die unsere Produkte und Services in Anspruch nehmen, wir wollen deren Leben retten und Leiden verhindern. Da wir uns jedoch in einem regulierten Markt befinden, sind unsere Customer im Sinne der Geschäftspartnerschaft Ärzte und Ärztinnen (v. a. Kardiologen, Neurologen, Internisten und Allgemeinmediziner). Stakeholder sind u. a. Krankenkassen, Verbände, Vertreter der Gesundheitspolitischen Institutionen, aber auch Patientenorganisationen.
Was sind demnach für euch wertvolle Customer Insights und was tut ihr heute dafür, um strategische Fragestellungen mit Hilfe von Daten zu beantworten?
Wir setzen auf folgenden Input, den wir generieren, zusammentragen, analysieren und interpretieren: Strukturiertes Kundenfeedback, Verhaltensweisen/Reaktionen von Kunden, Marktanalysen (monatlich), Marktforschung und zunehmend Analysen unserer Aktivitäten in Bezug auf Marktveränderungen.
Das sind die Grundlagen auf Basis derer wir entsprechende Handlungen ableiten wollen.
Was man wissen muss: Besonders Pharmaunternehmen agieren hinsichtlich der Daten über Kunden sehr klassisch. Sie stützen sich stark auf monatliche Marktreportings oder führen jedes halbe Jahr mal eine Marktforschung durch. Das sind dann natürlich immer Daten, die viel Interpretationsspielraum lassen. Wir als Daiichi Sankyo haben uns die Frage gestellt, wie wir noch direkter an Kundenfeedback kommen und wie wir noch direkter Kundenverhalten beobachten können. Wir möchten die Customer Experience darstellen und sichtbar machen.
Was wir aktuell tun:
- Wir holen permanent zu all den Dingen, die wir tun, strukturiertes Feedback ein. Beispielsweise über Feedbackbögen. Hier war ein wesentlicher Schritt, dass wir solche Bögen vereinheitlichen, um sie auswertbar zu machen.
- Wir analysieren das Verhalten unserer Customer in den digitalen Kanälen. Vor allem im Bereich E-Mail-Marketing. Da beobachten und analysieren wir Öffnungs- und Klickraten von E-Mails, um abzuleiten, wie die Themen und Inhalte ankommen. Ob es die richtigen sind.
- Im nächsten Schritt versuchen wir verstärkt, den Kunden zu einem Dialog aufzufordern. Und das auf eine sehr personalisierte Art und Weise. Wir haben bereits das Feedback von unseren Kunden (sprich Ärzte und Ärztinnen) erhalten, dass diese persönliche Komponente sehr gewertschätzt wird. Deswegen arbeiten wir mittlerweile verstärkt mit Personas, um immer mehr über unsere Customer zu erfahren, zu dokumentieren und immer wieder zu validieren.
Und all diese Infos und Daten, die wir generieren, tragen wir in sogenannten Insight-Meetings zusammen. Mit all den Informationen, die sonst noch im Markt zu beobachten sind. Hier sitzen wir cross-funktional zusammen: Sales, Marketing, Market Access, aber auch unsere Abteilung Customer Experience Excellence. In diesen Meetings sprechen wir darüber, was gut funktioniert, aber auch - und das ist viel wichtiger - darüber, was nicht so gut funktioniert und was wir daraus lernen.
Unter Berücksichtigung des wachsenden Veränderungsdrucks: Inwiefern wird sich das Verhältnis von Pharmakonzernen zu Verschreibern und Erkrankten verändern und welche Mehrwerte ergeben sich daraus für diese drei beteiligten Parteien?
Eine komplexe Frage! Die kurze Antwort dazu: Pharmaindustrie muss sich weg vom Pillenhersteller hin zum Netzwerker und Lösungsanbieter („beyond the pill“) entwickeln.
Um dies zu veranschaulichen möchte ich es gern aus Kundenperspektive darstellen: Nehmen wir an, ich bin Kardiologe in einer Klinik und möchte eine gute Medizin betreiben und meine Patienten und Patientinnen up-to-date behandeln. Deswegen schätze ich die Arbeit mit Pharmaunternehmen, wie bspw. Daiichi Sankyo, weil die mir natürlich die entsprechenden Medikamente liefern und mir helfen, zu verstehen, wie diese Medikamente am besten zum Einsatz kommen, wo sie den größten Nutzen haben und auch am sichersten eingesetzt werden können.
Jetzt ist es aber so: In den letzten beiden Jahren gab es eine Pandemie und die Klinik hat ein Besuchsverbot ausgesprochen – auch für die Pharmareferenten, über die ich normalerweise die Informationen erhalten habe. Als Klinikarzt habe ich in dieser Situation gemerkt, dass ich diese Gespräche gar nicht benötige, denn ich kann auch über E-Mail kommunizieren oder gelange über das Internet an die wichtigsten Infos, kann zum Beispiel virtuelle Kongresse besuchen und bekomme so schnell Antworten. Also eigentlich brauche ich die Termine mit den Pharmavertretern nicht. Im Gegenteil, es entspannt meinen Arbeitsalltag, der per se durch viel zu wenig Zeit getrieben ist.
Die Frage ist nun: Wie ist meine Erwartungshaltung gegenüber Pharmaunternehmen? Es geht nicht mehr nur um die Produkt-Informationen. Ich erwarte vielmehr, dass Pharmaunternehmen mich in meinem tagtäglichen Tun verstehen und das ist eben nicht nur ein Medikament auszuwählen und zu verabreichen, sondern viel viel mehr. Das bedeutet letztendlich „Beyond the Pill“.
Wie hilft mir das Pharma-Unternehmen dabei, meine Patienten und Patientinnen bestmöglich zu versorgen? Und wie kann ich mein Netzwerk durch sie sinnvoll erweitern? Das muss nicht mal der Kontakt zu anderen Ärzten sein, sondern vielleicht auch mal der Kontakt zu einem IT-Unternehmen, das gute Lösungen hat, welche Apps man bspw. in der Klinik verwenden kann, um Arbeitsabläufe zu verbessern.
Zusammengefasst: Das Pharmaunternehmen der Zukunft und eigentlich auch bereits der Gegenwart ist wesentlich mehr als ein reiner Pillenanbieter und muss sich vielmehr um die ganzheitlichen Herausforderungen der Kunden (also der Ärzte und Ärztinnen) kümmern. Und das auf einer Geschäftspartnerebene, auf der man gemeinsam nach Lösungen für den Patienten/die Patientin sucht.