Bekannte IT-Organisationsmodelle sind für aktuelle und zukünftige Herausforderungen ungeeignet.
Die bekannten und häufig genutzten IT-Organisationsmodelle, wie Plan-Build-Run, Multimodale IT oder Agile IT haben ihre Stärken und Schwächen. Abhängig vom konkreten Einsatzszenario kann eines dieser Modelle genau die richtige Wahl sein. Häufig können die vielseitigen Anforderungen in der IT mit diesen Modellen aber nicht mehr umgesetzt werden. Im ersten Artikel diese Serie haben wir das Dilemma beschrieben, in dem sich IT-Organisationen heute befinden und erkannt, dass der Spagat zwischen Effizienz und Innovationen die wesentliche Herausforderung für IT-Organisationen im 21. Jahrhundert ist. Nun wollen wir uns im zweiten Teil die etablierten IT-Organisationsmodelle genauer anschauen und zeigen, wieso sie für aktuelle und zukünftige Herausforderungen ungeeignet sind.
Plan-Build-Run und Source-Make-Deliver
„Plan-Build-Run“ war über Jahrzehnte der Gold-Standard der IT-Organisationsmodelle. Noch heute sind die allermeisten IT-Organisationen nach diesem Paradigma ausgerichtet, auch wenn dessen Schwächen mittlerweile bekannt sind. Die IT ist hier in aller Regel in drei Bereiche aufgeteilt. Im Bereich „Plan“ wird, wie der Name schon sagt, die langfristige Ausrichtung der IT definiert. Die IT-Strategie wird erarbeitet, Anwendungen, Infrastrukturen und die Organisation werden definiert. Teils werden die Aufgaben aus „Plan“ vom IT-Management durchgeführt, teils werden sie aber auch in einem separaten Bereich (häufig „IT-Governance“ o. ä.) in der Aufbauorganisation berücksichtigt. In den beiden anderen Bereichen werden IT-Lösungen entwickelt („Build“) und betrieben („Run“). Auf die scharfe Trennung, insbesondere der beiden zuletzt genannten Bereiche, legen die handelnden Personen in der Regel wert.
Im Laufe der Zeit stieg der Anteil an IT-Leistungen, welcher durch externe Dienstleister erbracht wurde (Outsourcing). Beispiele hierfür sind der Service Desk oder der Serverbetrieb. In den letzten Jahren wurden zusätzlich noch Software, Infrastrukturen und ganze Plattformen als Service aus der Cloud bezogen (SaaS, IaaS, PaaS). Viele Teile der Wertschöpfungskette werden demnach nicht mehr durch die IT-Organisation bereitgestellt. Infolgedessen hat sich das bekannte „Plan-Build-Run“ vielerorts zu „Source-Make-Deliver“ weiterentwickelt. „Source“ beinhaltet hier die Beschaffung der Leistung, „Make“ die Orchestrierung verschiedener Teilleistungen zu einem IT-Service und „Deliver“ die Auslieferung des IT-Service an den Anwender, inklusive Anforderungsmanagement und der Pflege der Kundenbeziehung.
Die beiden Modelle sind Vertreter der klassischen IT-Organisationsmodelle. Sie sind hochspezialisiert und effizient, die Übergänge zwischen den Phasen sind geregelt. Auf eine hohe Geschwindigkeit und schnelle Time-to-Market wird bewusst zu Gunsten von Stabilität verzichtet. Es wird eine hohe Qualität und demnach eine hohe Verfügbarkeit und Zuverlässigkeit ermöglicht. Um dies zu ermöglichen, werden Änderungen nur in dafür vorgesehenen Zeiträumen in Betrieb genommen. Häufig gibt es von diesen Zeiträumen nur wenige im Jahr, eine Änderung ist dementsprechend einzuplanen und sorgfältigst zu testen. Schnelle Änderungen oder innovative IT-Produkte werden somit strukturell unterbunden, was ein häufiger Kritikpunkt dieser Modelle ist und letztlich zum Bedarf von neueren Modellen geführt hat.
Klassische IT, Multispeed IT und Agile IT
Lösungsvorschläge ließen nicht lange auf sich warten. Mit der Bimodalen bzw. Multispeed IT sollten sich mehrere IT-Einheiten unter einem Dach jeweils so spezialisieren, dass sie ihre Stärken ausspielen und sich ergänzen können. Im Ergebnis führt dies in der Regel zu einer betriebssicheren IT nach „Plan-Build-Run“ und einer schnellen, innovativen IT, die sich nach agilen Strukturen ausrichtet.
Heute wissen wir, dass sich diese getrennten Organisationseinheiten nicht bewährt haben. Hauptkritikpunkt in Bezug auf Multispeed IT sind unternehmensinterne Unstimmigkeiten, wenn zwei verschiedene Organisationen, inklusive anderer Kulturen, aufeinandertreffen und um Budget, Ressourcen, Skills und die Aufmerksamkeit des Business werben. Es besteht die Gefahr einer Zwei-Klassen-IT. Mitarbeiter in solchen Organisationen wollen nicht zu den „Langsamen“ gehören – also dem Teil der Organisation, der für den sicheren und stabilen Betrieb und die Basistechnologien zuständig ist. Zumal die Aufmerksamkeit eher von den „Schnellen“ gewonnen wird, die in IT-externer Wahrnehmung für die Innovationen sorgen und das Unternehmen voranbringen.
Das Frauenhofer Institut kommt in einer Studie zusätzlich zu dem Ergebnis, dass „Digitale Labs [...] von mehr als zwei Dritteln kritisch gesehen [werden], da sie der Systemintegration und Wertschöpfung viel zu wenig Aufmerksamkeit schenken. In vielen Unternehmen entsteht so eine Lähmung und ein Warten auf die ultimative Lösung, die es nicht gibt.“ Prof. Dr. Maximilian Röglinger von der Projektgruppe Wirtschaftsinformatik des Frauenhofer-Instituts für angewandte Informationstechnik (FIT) kommentiert die Studienergebnisse wie folgt: „Mit Schnellbooten allein werde ich meinen Tanker nicht wenden können“, stattdessen liege die Lösung „in der Integration: Business und IT müssen stärker miteinander verschmelzen. Konzepte von Solutions Teams, die eine Ende-zu-Ende-Verantwortung für alle Beteiligten voraussetzen, sind besser geeignet als Vorschläge, die zwar schnelle Ergebnisse liefern, aber nur schwer integrierbar sind.“
Multispeed IT taugt also, wenn überhaupt, nur als Übergangslösung hin zu vollständig agilen Organisationsmodellen. Schließlich können nicht alle Prozesse und Einheiten gleichzeitig umorganisiert werden. Agile IT hat sich hier als guter Ansatz positioniert. In Start-ups und Ausgründungen größerer Unternehmen ist die agile IT-Organisation häufig bereits die vorherrschende IT-Organisationsform. Insbesondere in sehr produktorientierten und digitalen Geschäftsmodellen wie der digitalen Bank oder Versicherung, dem Online-Lebensmittel-Lieferservice oder dem Musik-Streamingdienst, in denen die IT den wesentlichen Teil des Geschäfts ausmacht. Die restliche Organisation gestaltet sich um die IT herum und so sind solche rein agilen IT-Strukturen vielversprechend und werden weitreichend erfolgreich genutzt.
Unabhängig davon ist eine wesentliche Herausforderung auch durch Agile IT noch nicht adressiert: Agile IT-Strukturen sind in einem sehr betriebslastigen Umfeld eher kontraproduktiv. Die Industrialisierung der IT mit ihren klar getrennten Verantwortlichkeiten und Aufgabenbereichen hat hier ihre Stärken. Klassische IT kann sodann die bessere Wahl sein. Es gibt also Situationen, in denen Agile IT die passende Antwort ist, und es gibt Situationen, in denen sie es nicht ist. Insbesondere in großen Unternehmen, die nicht (nur) rein digitale Geschäftsmodelle verfolgen, oder auch in vielen mittelständischen Organisationen ist vollständig agile IT nicht die passende Antwort, wenn es um zukunftsfähige IT geht.
Agile IT und Klassische IT haben also Stärken, Schwächen und Bereiche, in denen sie diese ausspielen können. in den jeweiligen Nischen sind Agile IT und Klassische IT unschlagbar. Außerhalb der Komfortzonen kommen beide IT-Arten aber schnell an ihre Grenzen. Leider stellen viele Unternehmen Anforderungen an die IT, für die die Stärken aus beiden Bereichen und somit beide IT-Arten genutzt werden müssten (bspw. hohe Innovationskraft bei geringer IT-Kostenquote). Die beiden IT-Organisationsmodelle miteinander zu verbinden, ist mit der Multimodalen IT bisher jedoch missglückt. Bekannte IT-Organisationsmodelle sind für aktuelle und zukünftige Herausforderungen ungeeignet.
Unser Ansatz zur modernen IT-Organisation
Im Whitepaper „Moderne IT-Organisation“ präsentieren wir einen Vorschlag für eine IT-Organisation, welche die Stärken der bekannten Modelle miteinander kombiniert, ohne dabei die Schwächen mit einzubeziehen. Wesentliches Gestaltungsmerkmal ist, dass die IT hauptsächlich dort verantwortet wird, wo sie benötigt wird. Die Fachbereiche werden befähigt, ihre IT selbstständig zu verantworten und zu betreiben. Damit ihnen diese Herausforderung gelingt, können sie auf ein Ökosystem bauen, welches die Fachbereiche dabei unterstützt, Wertschöpfung und Marktdifferenzierung durch IT-Leistungen zu erzielen.
Wir möchten die wesentlichen Designfaktoren für moderne IT-Organisationen an unserem Vorschlag beschreiben. Dabei sind je nach spezifischen Situationen im Unternehmen einige Gesichtspunkte relevanter als andere. Wir möchten mit dem Paper und dieser Artikelserie zum Diskurs einladen.
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