Lösungsvorschläge ließen nicht lange auf sich warten. Mit der Bimodalen bzw. Multispeed IT sollten sich mehrere IT-Einheiten unter einem Dach jeweils so spezialisieren, dass sie ihre Stärken ausspielen und sich ergänzen können. Im Ergebnis führt dies in der Regel zu einer betriebssicheren IT nach „Plan-Build-Run“ und einer schnellen, innovativen IT, die sich nach agilen Strukturen ausrichtet.
Heute wissen wir, dass sich diese getrennten Organisationseinheiten nicht bewährt haben. Hauptkritikpunkt in Bezug auf Multispeed IT sind unternehmensinterne Unstimmigkeiten, wenn zwei verschiedene Organisationen, inklusive anderer Kulturen, aufeinandertreffen und um Budget, Ressourcen, Skills und die Aufmerksamkeit des Business werben. Es besteht die Gefahr einer Zwei-Klassen-IT. Mitarbeiter in solchen Organisationen wollen nicht zu den „Langsamen“ gehören – also dem Teil der Organisation, der für den sicheren und stabilen Betrieb und die Basistechnologien zuständig ist. Zumal die Aufmerksamkeit eher von den „Schnellen“ gewonnen wird, die in IT-externer Wahrnehmung für die Innovationen sorgen und das Unternehmen voranbringen.
Das Frauenhofer Institut kommt in einer Studie zusätzlich zu dem Ergebnis, dass „Digitale Labs [...] von mehr als zwei Dritteln kritisch gesehen [werden], da sie der Systemintegration und Wertschöpfung viel zu wenig Aufmerksamkeit schenken. In vielen Unternehmen entsteht so eine Lähmung und ein Warten auf die ultimative Lösung, die es nicht gibt.“ Prof. Dr. Maximilian Röglinger von der Projektgruppe Wirtschaftsinformatik des Frauenhofer-Instituts für angewandte Informationstechnik (FIT) kommentiert die Studienergebnisse wie folgt: „Mit Schnellbooten allein werde ich meinen Tanker nicht wenden können“, stattdessen liege die Lösung „in der Integration: Business und IT müssen stärker miteinander verschmelzen. Konzepte von Solutions Teams, die eine Ende-zu-Ende-Verantwortung für alle Beteiligten voraussetzen, sind besser geeignet als Vorschläge, die zwar schnelle Ergebnisse liefern, aber nur schwer integrierbar sind.“
Multispeed IT taugt also, wenn überhaupt, nur als Übergangslösung hin zu vollständig agilen Organisationsmodellen. Schließlich können nicht alle Prozesse und Einheiten gleichzeitig umorganisiert werden. Agile IT hat sich hier als guter Ansatz positioniert. In Start-ups und Ausgründungen größerer Unternehmen ist die agile IT-Organisation häufig bereits die vorherrschende IT-Organisationsform. Insbesondere in sehr produktorientierten und digitalen Geschäftsmodellen wie der digitalen Bank oder Versicherung, dem Online-Lebensmittel-Lieferservice oder dem Musik-Streamingdienst, in denen die IT den wesentlichen Teil des Geschäfts ausmacht. Die restliche Organisation gestaltet sich um die IT herum und so sind solche rein agilen IT-Strukturen vielversprechend und werden weitreichend erfolgreich genutzt.
Unabhängig davon ist eine wesentliche Herausforderung auch durch Agile IT noch nicht adressiert: Agile IT-Strukturen sind in einem sehr betriebslastigen Umfeld eher kontraproduktiv. Die Industrialisierung der IT mit ihren klar getrennten Verantwortlichkeiten und Aufgabenbereichen hat hier ihre Stärken. Klassische IT kann sodann die bessere Wahl sein. Es gibt also Situationen, in denen Agile IT die passende Antwort ist, und es gibt Situationen, in denen sie es nicht ist. Insbesondere in großen Unternehmen, die nicht (nur) rein digitale Geschäftsmodelle verfolgen, oder auch in vielen mittelständischen Organisationen ist vollständig agile IT nicht die passende Antwort, wenn es um zukunftsfähige IT geht.
Agile IT und Klassische IT haben also Stärken, Schwächen und Bereiche, in denen sie diese ausspielen können. in den jeweiligen Nischen sind Agile IT und Klassische IT unschlagbar. Außerhalb der Komfortzonen kommen beide IT-Arten aber schnell an ihre Grenzen. Leider stellen viele Unternehmen Anforderungen an die IT, für die die Stärken aus beiden Bereichen und somit beide IT-Arten genutzt werden müssten (bspw. hohe Innovationskraft bei geringer IT-Kostenquote). Die beiden IT-Organisationsmodelle miteinander zu verbinden, ist mit der Multimodalen IT bisher jedoch missglückt. Bekannte IT-Organisationsmodelle sind für aktuelle und zukünftige Herausforderungen ungeeignet.